Geschichte einer Vertreibung aus Kalsching im südlichen Böhmerwald.

Zeitzeugenbericht- stark gekürzte Auszüge aus den Geschichts-Aufzeichnungen von Josef Prokschi - Josef Prokschi kommt aus Kalsching, Kreis Krumau im Böhmerwald.

Befreiung durch Nazideutschland?? - Bruchstücke aus dem Bericht v. J. Prokschi
Am 1. Sonntag im Oktober 1938 erschien ein PKW im Markt, mit englischem Hoheitszeichen (Stander). Die Insassen forderten die Gendarmerie, sowie die Gerichts- u. Postbeamten auf, den Ort zu verlassen, da Tschechen hier kein Recht mehr hätten. Am Abend des 7. Oktobers zogen die Angehörigen des Freicorps, aus Österreich kommend ein ....... Am nächsten Tag marschierten auf der Straße (von Krumau kommend) das Gebirgsjägerregiment Nr. 98 (Standort Mittenwald) mit Klingendem Spiel in Kalsching ein und eine Kompanie nahm in den Bürgerhäusern Quartier............... Am nächsten Sonntag wurde vor dem Schulhause in dem die Kommandantur untergebracht war die Reichskriegsflagge gehißt. Einige Tage darauf wurde das freudige Ereignis mit einem Fackelzug gefeiert mit anschließender Ansprache des Obersten Schörner, in der er u.a. sagte: Ihr dürft dem Führer nicht nur zujubeln weil er euch befreit hat, sondern, wenn er euch ruft, auch bereit sein mit eurem Blut und Leben für ihn einzustehen. "Mich durchzuckte der Gedanke: der braucht Kanonenfutter". Am 20. Oktober, ein kurzer Besuch des Führers in Kalsching, das frei von Juden war.

Am Sonntag dem 31. Aug. (1939) wurden an alle Haushaltungen Lebensmittelkarten verteilt , mit dem Hinweis, ab morgen werden Lebensmittel nur gegen diese Karten verkauft. Alle fragten erstaunt: wieso, es ist nicht Kriegszeit? nun, am nächsten Tag begann der Krieg mit Polen und die Einberufungen begannen gleich am ersten Tag. Bekleidung gab es nur auf Bezugsschein. Verdunklungen wurden angeordnet. Für jeden Gefallenen wurde an einem geeigneten, gepflegten Platz ein Holzkreuz mit Inschrift aufgestellt, die 1943, oder 44 wieder entfernt wurden um die immer wieder größer werdende Zahl nicht vor Augen zu haben und immer noch kein Kriegsende abzusehen war.

1943 mussten Evakuierten aus dem Rheinland Wohnungen zugewiesen werden. 1942 wurden die im Jahre 1931 wieder beschafften Glocken wieder abmontiert und abgeliefert. In diesem Jahr wurden die ersten Flugblätter von feindlichen Flugzeugen abgeworfen. Im Sept. 1944 überflog das 1. Amerikanische Bombergeschwader den Ort. Dieses wiederholte sich jede Woche einmal.

Banater und Batschkadeutsche kamen mit ihren Trecks nach Kalsching, wo ihnen Wohnungen zugewiesen wurden.

Flüchtlinge aus Schlesien wurden schon vorher untergebracht. Im Okt. 1944 wurden alle im Ort verbliebenen Männer unter 65 Jahren zum Volkssturm verpflichtet und vereidigt. Sie wurden jeden Sonntag im Gebrauch von Waffen und im Gelände geübt. Im März 45 mussten in der Umgebung des Ortes Schützenlöcher und eine Stellung für ein Flackgeschütz ausgehoben werden, obzwar es keine Flackgeschütze mehr gab wie ein verwundeter Soldat sagte. Diese Stellungen wurden auch nicht mehr benützt. Der Volkssturm wurde in der hiesigen Turnhalle kaserniert. In den Ausfallstraßen wurden Straßensperren errichtet.

 

 

 

 

Maria Magdalenakirche in Kalsching (aus Wikipeda)




 

 

Das Ende

Im April 45 war in einem Haus ein Divisionsstab stationiert, der für die noch 20 - 30 Km entfernte Ostfront zuständig war. Flüchtlingstrecks schlesischer Bauern, die bisher im Protektorat Zuflucht gefunden hatten, kamen in unseren Ort. Nicht alle Zugtiere und Wagen konnten in den Scheuern untergebracht werden. Mehrere Trecks zogen durch den Ort.
Am 6. Mai 45 wurden die Straßensperren entfernt. Am 7. Mai 45 fuhren die ersten amerikanischen Panzerspähwagen ein und eine kleine Einheit verblieb als Besatzungstruppe im Ort. Alle Waffen mussten abgeliefert werden ............

Beim Einmarsch der Amerikaner stellte sich ein Offizier im Bürgermeisteramt vor und grüßte in tschechischer Sprache. Der Bürgermeister sagte: "Sie müssen deutsch sprechen. Wir sind Deutsche. Der Offizier zeigte auf seine Landkarte: Das ist tschechisches Gebiet. Der Bürgermeister machte ihm auf der Karte klar, dass hier nur deutsche Gemeinden sind. Worauf sich der Offizier mit der Landkarte entfernte. Eine folgende Überprüfung durch amerikanische Offiziere der Inschriften auf den Grabdenkmälern des Friedhofs bestätigte die Angaben des Bürgermeisters.

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Am 15. Juli 45 übergaben die Amerikaner die Zivilverwaltung an die Tschechen.
Bewaffnete tschechische Partisanen verbreiteten Furcht und Schrecken und benahmen sich wie Räuberbanden. -- Jeweder Besitz wurde als Staatseigentum erklärt. Auf die landwirtschaftlichen - und Gewerbebetriebe kamen Kommissare.

Am 18. Okt. 45, 7 Uhr früh, standen bespannte Leiterwagen von der Kirche abwärts und Kommissare in Begleitung von Gendarmen durchsuchten die Wohnungen nach Waffen, Fotos von SS- Angehörigen, usw. Wobei sie sich auch Sparbücher, Personalurkunden u.a. aneigneten, und befahlen den Leuten mit dem nötigsten Hausrat versehen sofort das Haus zu verlassen und auf dem bereitstehenden Wagen Platz zu nehmen. Es wurde nicht gestattet (einem Landwirt) das frischgebackene, erst halbfertige Brot dem Backofen zu entnehmen. ......... Als alle Wagen beladen waren, setzte sich die Kolonne in Marsch nach einem 10 Km entfernten Dorf.

Die später verjagten Landwirte kamen zu tschechischen Bauern als Dienstboten. Auch ich kam zu einem tschechischen Bauern der ausgezeichnet Deutsch sprechen konnte und zu mir sagte: soviel Jahrhunderte war Platz für Deutsche und Tschechen, jetzt ist auf einmal kein Platz mehr. Wir waren 6 tschechische und 5 deutsche Dienstboten, wurden gleich gut behandelt und auch die übrigen Dorfbewohner waren freundlich zu uns.

 

Im März 1946 begann die Aussiedlung. In das Aussiedlungslager (vorher Kasernengebäude) wurden täglich aus verschiedenen Orten deutsche Familien eingeliefert und nochmals durchsucht und tschechisches Geld, etwas Hausrat, auch Lebensmittel konfisziert. Sobald mindestens 1200 Personen anwesend waren, wurde ein Eisenbahnzug bereitgestellt und jeder der 40 Güterwagen mit 30 Personen und Hausrat beladen, wobei noch Platz zum Sitzen und Schlafen bleiben mußte. Die Fahrt ging über Budweis , Pilzen, Furth i. Wald, Regensburg nach Pfarrkirchen. Nach Lageraufenthalt wurden wir in Bauerndörfer verfrachtet. Wünsche der Vertriebenen wurden nicht berücksichtigt. Die Bürgermeister waren bestrebt ihren Bauer Hilfskräfte anzubieten. Wie freudig wir aufgenommen wurden, merkten wir durch die hämischen Bemerkungen die uns zuteil wurden und die wir überhören mussten, bald. Wir lebten nun unter Deutschen, fühlten uns aber als Fremdlinge. Erst nach Jahren wurden wir anerkannt.

gez. im Jahr 1977, Josef  Prokschi, Rentner 7071 Heuchlingen - früher Landwirt in Kalsching 51 , Kreis Krumau im Böhmerwald.

    
Interne Anmerkung: Josef Prokschi lernte auf einem Vertriebenentreffen in Stuttgart seine spätere Frau Anna Pechtl kennen. Um 1958 zieht er dann aus seiner neu eingerichteten Heimat in Niederbayern nach Heuchlingen. Anna Pechtl wurde in Amplatz im Böhmerwald geboren. Im Alter von 2 Jahren wurde sie Vollwaise. Später nahm sie dann ihre Tante in Liebeswar zu sich. Qu. Christine Stäb, geb. Prokschi.

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