Geschichte der Vertreibung aus Ungarn

Ein Zeitzeugenbericht von Ella Pander, geb. Krauss -

Betroffene Familie: hier die Familie Krauss - stellvertretend für weitere Familien aus Ödenburg-Sopron und Umgebung.


Heimatort:
Die Familie Kraus kommt aus Wandorf im Bezirk Ödenburg  in Ungarn. Wandorf ist heute ein Stadtteil von Ödenburg- ungar. Sopron


Die Familie Krauss in Heuchlingen

Die Eltern: Rosa Kraus, geb. Hammer, Witwe und Hausfrau, Jg. 1915 mit 4 Töchtern. Der Vater ist in Budapest gefallen.

Ankunft in Heuchlingen am 2. Mai 1946

Wissenswertes hier: Für den 2. Mai 1946 werden neben der Familie Krauss noch die Familien Lang, 4 Personen, die Fam. Pratscher mit 4 Pers. und die Fam. Brand mit 6 Personen notiert, die ebenfalls aus Wandorf  kommen. - Die Familie Borsodi kommt Holling am Neusiedlersee, nicht weit entfernt von Wandorf

 

Die Wohnstätten der Fam. Krauss in Heuchlingen, sind am Ende des Berichts näher vermerkt.

………………

Geschichte der Vertreibung aus Ungarn - Mehr als 200.000 Deutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn vertrieben.

Am 29. Dezember 1945 verfügte die ungarische Regierung, dass diejenigen ungarischen Staatsbürger nach Deutschland umzusiedeln seien, die sich bei der Volkszählung von 1941 zur deutschen Nationalität oder Muttersprache bekannt hätten.
Diese Ausweisung beruhte auf Artikel XIII des Potsdamer Abkommen, das die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland festlegte.
Alles in allem hat Ungarn, das durch das Potsdamer Abkommen ermächtigt war, seine gesamte deutsche Bevölkerung auszusiedeln, nur etwa die Hälfte von ihnen ausgesiedelt.
Qu. Geschichtsfragmente, entnommen aus dem Web


Chronik der Vertreibung und Ankunft in Heuchlingen erzählt von Ella
Die Familie Krauss bewohnte in Wandorf ein eigenes Hausanwesen und lebte dort in relativ gehobenem Wohlstand. Der Vater von Ella diente, wie viele der deutschsprachigen Männer nach 1941 bei der deutschen Wehrmacht. Im den letzten Kriegsmonaten war er zur Verteidigung  von Budapest auf dem zur Festung ausgebauten Schloß  als Soldat (Kavallerie-Waffen SS) eingesetzt. Noch vor Kriegsende, wohl schon Ende 1946, gab Ellas Vater von seinem Einsatzort aus der Mutter kund, dringend das Dorf und Ungarn zu verlassen. Die Mutter zog daraufhin mit den Kindern in einen kleinen Weiler - Ella spricht von Tschechisch-Gmünd im tschechisch- böhmischen Waldviertel.  Beim Herannahen der Russen zogen sie wieder nach  Wandorf  zurück. Allerdings war ihr Haus jetzt von fremden Leuten schon belegt.

Wissenswertes: Bei dem schweren Beschuss der Burg von Budapest sind fast alle Verteidiger ums Leben gekommen. So auch der Vater von Ella.

Ausweisung aus Ungarn. Nach der Ausweisungsverfügung durch die ungarische Regierung musste nun auch die Familie Krauss ihre Bündel packen. Erlaubt war,  was jeder tragen konnte und zum Leben notwendig war. Wertgegenstände durften nicht mitgenommen werden.

Der Abtransport nach Deutschland am Sa. d. 20. April 1946

Vom Südbahnhof in Ödinburg, er lag etwa 1/2 Km von Wandorf entfernt, führte die Bahnstrecke über den nahegelegenen Bahnhof Agendorf. Dort wurden in den Tagen um den 14. bis 20. April 1946 insgesamt 3 Güterzugeinheiten eigens zum Abtransport der deutschen Bevölkerung bereitgestellt. (Qu. Alfred Schwenk in GD)

Zu Fuß nun marschierten am 19. und 20. April 1946, Männer, Frauen und Kinder mit ihren Bündeln zum Bahnhof in Agendorf - Ella nennt dabei aber den Südbahnhof. Möglich ist hier, das ein Teil der Wandorfer im Südbahnhof verladen wurden und dann in Agendorf in den Transportzug eingefügt worden sind. Angemerkt: Wandorf und Agendorf liegen nahe beieinander.

Am Bahnhof standen Mannschaften der ungar. Staatspolizei bereit. Sie drängten nun als erstes die Kinder in die Güterwagen gefolgt von den Frauen. Die Großmutter und die Mutter-sie war hochschwanger- litten panische Angst, dass die Familie auseinander gerissen werden könnte. Der Zug war überfüllt. Die Leute standen z. TL. auf den Trittbrettern, bis sich die Insassen im Zug allmählich verteilt und eingerichtet hatten. Am Samstag den 20. April fuhr der Zug ab. Es war die 3. Transporteinheit. Sie sollte am 24.4.46 in Gmünd ankommen.


Das Bild unten zeigt den Waggon 17 im Bahnhof von Agendorf am 18.4.1946, kurz vor der Abfahrt.


Hier ist vielleicht noch ein anderer Bericht interessant:

Bereits am 15. April hatte ein erster Transport mit 600 Personen Agendorf verlassen. Am Gründonnerstag wurde am Bahnhof Agendorf ein zweiter Transportzug zur Ausweisung bereitgestellt und beladen. Er bestand aus 40 Viehwaggons. Dabei stellte man fest, dass 7-8 Waggons noch freien Platz hatten. Im Eilverfahren wurden nun ca. 200 Deutsche aus Wandorf ausgemustert. Innerhalb von 2 Stunden mussten diese nun ihre Bündel packen und noch in der Nacht die Viehwaggons besteigen. Am Karfreitag den 19.April, morgens um 6:oo Uhr verließ dann der Zug Agendorf in Richtung Österreich. Sämtliche Glocken von beiden Kirchen läuteten zum Abschied. Zuvor schon, am Donnerstag, waren die beiden Geistlichen gekommen, um persönlich jeder Familie ihren Trost zuzusprechen und sich von ihnen zu verabschieden.

Aus unbekannten Gründe hielt nun im österreichischen Nachbarort der Transportzug. Dabei verließen mehrere Zuginsassen heimlich ihre Waggons und suchten bei Verwandten dort Unterschlupf.

In Schärding an der österreichisch-deutschen Grenze wurde das ungarische Begleitpersonal gewechselt und der Transport an die Amerikaner übergeben. Zuvor wurden die Zuginsassen vom Roten Kreuz mit DT-Pulver eingestäubt, als Vorbeugung gegen Läuse und Flöhe. Hier in Schärding gab es dann auch für alle ein warmes Essen. Nach einem halben Tag Aufenthalt setzte sich der Zug dann wieder in Bewegung. Über Passau und Nürnberg erreichte der Zug , unterbrochen durch zahlreiche Halts, am Dienstag den 23.4.1946 in der Früh Neckarzimmern. Von hier aus erfolgte dann die Verteilung in die benachbarten Orte. Ella Krauss-Pander hat dadurch noch Verwandte in Moosbach. (Qu. Michael Böhm aus dessen Broschüre v. 2007)

 

Die lange Fahrt ins Ungewisse, von Ella weitererzählt.

Es folgte nun eine lange Fahrt  über Österreich in Richtung Süddeutschland. Dabei wurden keine Zwischenlager angefahren. Ella hat keine Vorstellung mehr über die Fahrdauer. Sie muß aber Tage gedauert haben. Bahnhöfe, Gleisanlagen und Stellwerke waren ja vielfach zerstört. Haltepausen mitten in der Nacht und mitten auf freiem Feld waren sicher zahlreich. Bei diesen Haltepausen, so heißt es in anderen Berichten,  verließen immer wieder die Leute den Zug, sei es wegen der Notdurft oder zum Schöpfen von Wasser  oder Erbetteln von Eßbarem oder Milch für die Kinder. So kam es dann auch vor dass der Zug nach dem Beseitigen der Störung unmittelbar weiterfuhr. Besonders dramatisch war  dann, wenn Familien sich dabei verloren.

Auffanglager in Schwäbisch Gmünd in der Pestalozzi-Schule
Am Mittwoch den 24. April 1946,
nach 4 Tagen wurde dann Schwäbisch Gmünd erreicht-Endstation. Unsere Familie Krauss konnte vollzählig, zusammen mit den anderen Vertriebenen den Zug verlassen und ihr Notquartier in der Pestalozzi-Schule beziehen.

Die letzte Fahrt

Nach vielleicht 2 Wochen in der Pestalozi-Schule folgte die letzte Fahrt. Auf einem LKW ging es über Leinzell Göggingen und Schechingen und von dort hinunter ins Leintal nach Heuchlingen. Ella hat das Bild der alten Häuser und der Kirche noch in Erinnerung.
Eine Episode ist ihr in Erinnerung geblieben:: Bei der Ankunft standen natürlich auch eine Anzahl Dorfbewohner am Abladeplatz. Ella hört noch, wie ein besorgter alter Mann mit weißem Barth sorgenvoll sagte: oh, die fressen uns auf. (der besorgte Mann ist Ella noch bekannt, es war M.M)

 

Notunterkunft im Adler in einer Pferdebox

Ihre erste Not-Bleibe fand die Fam. Krauss und  anderen Familien jeweils in einer Pferde-boxen im Stall des Adlerwirts. Sie verweilten dort aber nur kurze Zeit.

Die weiteren Wohnstationen -in
dieser Reihenfolge aufgezählt:
< Georg Ilg (Hillenbranda) in der Vorstadt.
< In den 1960er Jahren, nach dem Bau des 6er -Blocks durch die Fa. Holstein, dort   eingezogen.
< Später wohnte die Fam. Kraus dann im Neubau von R. Jung.
< Ella zieht nach ihrer Heirat in das Haus von Josef Stegmaier, die Mutter zieht in den Neubau    von Karl Lang in der Breite.


Noch in Erinnerung

Nach Aussagen von Ella gingen die Mutter, sie und ihre Geschwister, in den Anfangsjahren in Hchl. lange Zeit betteln. Die Mutter lebte von 108 Mark Rente. Davon gingen mtl. 40.- Mark Miete an G. Ilg.


Liste der Zugtransporte mit Vertriebenen aus Ungarn im Frühjahr 1946

Ankunftsdatum der

 

Transporte

Zielbahnhof in West-Deutschland

 

Anzahl

Personen

23.4.1946
24.4.1946
28.4.1946
6.5.1946
6.5.1946
7.5.1946
7.5.1946
7.5.1946
8.5.1946
10.5.1946
17.5.1946
19.5.1946
24.5.1946
11.6.1946

Ulm
Schwäbisch Gmünd - s. Kontingent Hchl
Seckach, Baden
Aalen
Heidenheim
Heidenheim
Schwäb. Gmünd
Leonberg
Schwabach
Heidenheim
Kassel
Bamberg
Schwäb. Gmünd Dachau

1131
1012
1086
1044
824
1044
1054
947
504
1115
1323
1144
825
1029

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