Blühende Städte

2Krieg-Zerstörung

Vertreibung

Endstation

Wiederaufbau

 Wohnraumbewirtschaftung für Evakuierte und Flüchtlinge in Heuchlingen in den Kriegs-

und Nachkriegsjahren Jahren 1940 - 1950

Im Zeitraffer
Weise Voraussicht? - Vorahnung einer Katastrophe?
Schon kurz nach Beginn des Weltkrieges wurden erste Vorsorgen getroffen für den Fall, dass auch die Heimat Kriegsschauplatz werden könnte. Es erging deshalb im Okt. 1942 eine Ermächtigungsverordnung an den Reichsarbeitsminister. Die daraufhin erlassene Ausführungsverordnung ermächtigte die Gemeinden bauliche Maßnahmen anzuordnen, wie: Instan-setzungen, Ausbauten, Wohnungsaufteilungen. Damit sollte vorhandener Wohnraum erhalten oder vermehrt werden. Zweckentfremdeter Wohnraum (aufgelassene Werkstatträume, Rumpelkammern, Lagerräume, usw.) konnte der ursprünglichen Bestimmung, bzw. der Wohnraumschaffung  zugeführt werden. Der Wohnungsmarkt war jetzt somit fremdbestimmt.

So entstanden nun von jedem Haus detaillierte Wohnraumskizzen, wie wir sie am Ende dieses Abschnitts sehen können. In diesen Skizzen waren alle Räume, von der Besenkammer, über Bad und Speis, bis zum Wohnzimmer erfaßt mit Angabe der Raumflächen und der jeweiligen Nutzungsart.

Diese Aufrisse haben den später gebildeten Wohnungsausschüssen ermöglicht, schon im Vorfeld Planungen anzustellen, wie man eventuell durch kleinere Umbaumaßnahmen, oder Raumteiler einem möglichen Heer von Wohnungssuchenden Herr werden konnte. Wobei hier zunächst mehr an die Aufnahme von bombengeschädigten Familien aus Industrieregionen gedacht war.

Was letztendlich dann aber wirklich auf die Städte und Gemeinden zukam, lag noch jenseits aller Vorstellungen.

2. Neben der oben genannten Wohnraumvermessung erging an die Gemeindeämter die Auflage, Bewohnerstrukturen für alle Häuser zu erstellen. Darin festgehalten waren alle Hausbewohner: Großeltern, Familien und die Anzahl der Kinder, ledige Familienangehörige und Bedienstete jeweils mit Angabe der Namen, Alter oder Jahrgang und Angabe der derzeitigen Aufenthaltsorte abwesender Hausbewohner - z.B.: im Dienst, Gefangenschaft, vermisst, usw. -- Diese erfassten Daten wurden nun an die mittleren und oberen Wohnungsbehörden im Kreis oder Land übergeben. Zusammen mit den Wohnraumskizzen lag den Planungsbehörden damit ein hervorragendes Instrument vor, um schon im Vorfeld, am grünen Tisch, freie Wohnflächen zu erkennen oder durch geschicktes um verlegen der Hausbewohner noch zusätzliche Raum zu gewinnen.
……….
Der Ernstfall tritt ein - Wohnungen müssen zugewiesen werden
I. Evakuierungen:
Im Sommer 1943 erfolgten die ersten Zuweisungen von Personen aus bom-bengeschädigten Regionen. Das setzte sich dann bis zum Frühjahr 1945 fort. Die Adressen der zugewiesenen Wohnungen lassen sich hier in den Akten allerdings nicht ersehen. Auch gibt es noch keine Hinweise auf Beschlagnahmen. 
Die Zahl der Evakuierten lag bei etwa 85 Personen.
Pfarrer Zeyer schreibt in seiner Pfarrchronik hierzu: 190 durch den Krieg Evakuierte kamen nach Heuchlingen. Viele Evakuierte sind durch ihr Benehmen ein Ärgernis. (unschickliche Kleidung, leicht gekleidet baden in der Lein, sonntägl. Kirchgang?, lautes Benehmen - Stadtleute eben und keine Schwaben)
Schon kurz nach Kriegsende im Frühjahr/ Sommer 1945 setzte die erste Rückkehrwelle unter den Evakuierten ein. Sie dauerte bis Ende des Jahres und darüber an. Bei deren Ankunft  in ihren Heimatstädten fanden die Rückkehrer dann nicht selten unerfreuliche Zustände. Ihre Häuser, soweit sie noch vorhanden, waren von anderen Personen, die ebenfalls ihren Wohnraum verloren hatten, besetzt.
.....
II. Lokaler Personenkreis.
Als ortsfremde Wohnungsnehmer hinzu komm noch eine Zahl von 30 oder 40 Personen, zum Beispiel Kinder und Mütter aus den nahen Städten wie Stgt., Karlsruhe Ludwigsburg, usw. Ein größerer Teil derer kam bei Verwandten unter. Der Grund ihres Umzugs: einmal, man wollte Frauen und Kinder aus den bombenbedrohten Gefahrenzonen herausbringen, dann, gab es dort auf dem Land ja auch genügend zu Essen.
Zu diesem lokalen Personenkreis zählen wir dann noch 10 - 15 Personen, wie Knechte und Mägde, Landhelferinnen, Lehrlinge, u.a.
....
III. Zwangsarbeiter - und Kriegsgefangene. Als ein weiterer Posten an Wohnungsnehmer müssen auch die Zwangsarbeiter aus den Ostländern Polen und Russland gesehen werden und auch die Kriegsgefangenen aus Frankreich. Sie betraf 15 bis 20 Bauernanwesen. Die Gesamtzahl der Zwangsarbeiter lag im Laufe der Kriegsjahre bei ca. 60 Personen. Die der Kriegsgefangenen zwischen 10 u. 15 Personen. Auch dieser Personenkreis musste irgendwo wohnen, bzw. brauchte Wohnraum. Bei Nennung der Zwangsarbeiter wäre vielleicht noch zu bemerken: Jüngere Zwangsarbeiter schliefen aus Mangel an geeigneten Räumen in dem einen oder anderen Fall zusammen mit den Haussöhnen in einer Kammer- was eigentlich verboten war, denn diese Personen sollten ja von der deutschen Bevölkerung strikt getrennt leben, da sie doch einer "minderwertigen Rasse" angehörten.
.....
IV. Flüchtlinge - Der große Flüchtling Strom setzt ein.
Der Zweite Weltkrieg löst eine beispiellose Völkerwanderung in Europa aus. Millionen von Menschen sind auf der Flucht oder suchen eine neue Heimat. Vor der heranrückenden Roten Armee flüchten in den letzten Kriegsmonaten hunderttausende, dann Millionen Deutsche aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien nach Westen. Die rücksichtslose nationalsozialistische Durchhaltepolitik führt dazu, dass die Flucht hinausgeschoben wird und nun häufig inmitten von Kampfhandlungen des letzten Kriegswinters erfolgt.
Nach Kriegsende beginnt dann zunächst die brutale Vertreibung der Deutschen aus Ost-, Mittel- und Südosteuropa. Ab 1946 folgen dann in Ausführung der Potsdamer Beschlüsse die großen regulären Vertriebenentransporte.

Ein kleiner Handwagen, ein Rucksack, ein Holzkoffer mit wenigen Habseligkeiten sind häufig der ganze Besitz der Flüchtlinge und Vertriebenen. Hunger, Kälte und Krankheiten begleiten ihre wochen- und monatelange Flucht. Hunderttausende verlieren dabei ihr Leben. Viele Familien werden auseinandergerissen und sind auf der Suche nach ihren Angehörigen".

 

Die Lage:
1945
: Die ersten 14 Flüchtlinge trafen - verteilt auf die Monate Febr. 1945 bis Anf. Oktober 45, in Heuchlingen ein. 10 Pers. waren in Oberschlesien wohnhaft, 3 Pers. kamen aus Bayern/ Österreich und 1 Pers. aus Mähren. In Anbetracht der kritischen Kriegs Lage mussten diese -noch  vor Kriegsende, z. Tl. selbst die Initiative ergreifen und ihre Wohnorte verlassen.
Nach dem Einbrechen der russischen Kriegswalze in das ostpreußische, pommersche und gesamte schlesische Gebiet -verbunden mit schwersten Luftangriffen auf die Städte und Industrieanlagen, brachen dann, man kann es so sagen, alle Dämme. Im Zugangsbuch zur Meldekartothek- und auf diese Bücher berufen sich die genannten Zahlen- sind allein für den 25. Okt.1945 - 80 Zugänge notiert. Es ist fast nicht vorstellbar, dass diese Personen alle zur selben Zeit angekommen sein sollen. Der Bahntransport vom 22 bis 24. Oktober mit Flüchtlingen aus den Auffanglagern im österreichischen Innviertel zeigt dies aber. Eine schier unlösbare Aufgabe kam damals auf die Gemeinde zu. Im November 45 kamen dann noch weitere 6 Flüchtlinge hinzu.

Eine Zusammenfassung:
Für 1945 ergeben sich in der Summe ca. 100 Zuweisungen.
1946:
der Zustrom reißt nicht ab. Im Laufe des Jahres erfolgten 145 Zugänge.
1947
und 1948 waren es ca. 23 Personen.
1949 bis 1952 können wir nochmals mit etwa 45 Personen zusammenfassen. Diese letztgenannten Zugänge erschöpften sich meist aus Nachzüglern, Entlassungen aus der Gefangenschaft. usw. Mittlerweile hatten aber einzelne Familien Heuchlingen dann auch schon wieder verlassen. Auch ist ein kleiner Teil der Flüchtlinge in Heuchlingen in den Zugangsbüchern gar nicht erfasst, obwohl sie sogar nachweisbar in Heuchlingen sesshaft geworden sind.
.
Wenn wir nun alle Flüchtlinge die nach Hchl. eingewiesen wurden zusammenzählen, kommen wir auf eine Zahl von ~ 310 Personen. Diese Zahl ist dann auch für den Aspekt Wohnraumnot in den späteren Nachkriegsjahren von Bedeutung.
Hinzu rechnen müssen wir dann noch ca. 100 bis 120 Personen und aus dem erweiterten Personenkreis.
30- 40 Personen wie Knechte, Mägde u. a., 20 - 25 Zwangsarbeiter (incl. franz. Kriegsgefangene) die im Ort beschäftigt waren.
Fassen wir nun alle genannten Personenkreise zusammen, so kommen wir auf eine Gesamtzahl von etwa 430 Personen, die in den Kriegs- und Nachkriegsjahren in unserem Ort untergebracht werden mussten.
Diese Zahl zeigt ihre Bedeutung aber erst, wenn wir ihr eine andere Zahl gegenüberstellen. 1935 / 1936 hatte Heuchlingen zusammen mit den Teilorten ca. 725 Einwohner. Im Jahr 1945 dürften es eher weniger gewesen sein, wenn wir die Gefallenen, Vermissten und die Personen in der Gefangenschaft abziehen.
……
Verteilung der Flüchtlingsströme - Maßnahmen, auch Zwangsmaßnahmen.
Wohl schon vor dem Eintreffen der ersten Flüchtlingswelle war klar, dass man mit normalen verwaltungstechnischen Maßnahmen den zu erwartenden Problemen nicht Herr werden konnte.
Die ersten Maßnahmen lagen auf organisatorischem Gebiet. Die Militärregierung ordnete im Juni 1945 die Bildung von Wohnungsausschüssen an, der dem Wohnungsamt in allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Seite stehen sollte. Seine Mitglieder waren Angehörige verschiedener Berufsstände, Hausbesitzer, Vertreter der Vertriebenen, in Städten auch Vertreter der Parteien. In diesen Ausschüssen wurde die Zuweisung der Wohnungen endgültig beschlossen.
Hierzu soll auch noch kurz angemerkt werden: Der alliierte Militärrat hat im Zusammenhang mit der Verteilung der Flüchtlingsströme bewusst die Ballung von Volksgruppen in den einzelnen Zuweisungszonen untersagt und eine großflächige und gemischte Verteilung angeordnet. Dadurch sollten schon im Voraus Allianzbildungen unterbunden werden.
Verbot von Wohnungswechsel.
Die für die Wohnwirtschaft zuständigen Militärbehörden stellten ein generelles Verbot des Wohnungswechsels auf, von dem es nur eng begrenzte Ausnahmen gab. Kein Hausbesitzer konnte jetzt eigenständig mit irgendeinem Mieter oder einer ihm genehmen Familie ein Mietverhältnis eingehen. Auch hier im Ort wurden solche widerrechtlich eingegangene Absprachen geahndet. So mussten in einigen Fällen bereits eingezogene Mieter binnen weniger Tage die Wohnung wieder räumen.
Die Ortswohnbehörde stand dabei mit der Kreiswohnbehörde- und diese mit den verschiedenen Auffanglagern in engster Verbindung. Jeder neu geschaffene, oder wieder freigewordener Wohnraum musste jeweils gemeldet werden. Danach wurden für eben diesen gemeldeten oder geänderten Wohnbestand bestimmte Personen oder Familien dem Ort zugewiesen.
Zwangsenteignungen.
Die Forderungen
an die Gemeinde, immer weiteren Wohnraum aufzubringen, konnte letztendlich nur durch Zwangsenteignungen nachgekommen werden. In Heuchlingen waren davon dann immerhin annähernd 50 Häuser betroffen. Den jeweiligen Umfang dieser Zwangsmaßnahmen können wir in den vorliegenden Listen leicht erkennen.
Die beteiligten amtlichen Stellen.
Gemeinden, Landratsamt Schw. Gmünd, Kreisbeauftragter für das Flüchtlingswesen, Kreiswohnungsaufsicht, Kreiswohlfahrtsamt, Arbeitsamt, der Landesinnenminister, der Landtagsabgeordneter Dr. L. Leber, Regierungspräsidium Nordwttb., Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht, Rechtsanwaltbüros, Bundesminister für Wohnungsbau.
Flüchtlingslager. So genannte Flüchtlingslager bestanden in: Bad-Reichenhall, Ulm- Sedankaserne, Ulm-Wilhelmsburg, Weinsberg, Lorch Unte,rböbingen u.a.

Unzufriedenheiten, Einreden.
Die Maßnahmen der Raumbewirtschaftung zogen naturgemäß Einreden und auch gerichtliche Klagen der Betroffenen nach sich. Schlichtungsstellen für Wohnungsstreitsachen wurden errichtet. Dabei konnten Wünsche nach einem Wohnungswechsel oder Beschwerden von den Mietern und Vermietern bei der Verwaltung eingereicht werden, die dann auch den Wohnungsausschüssen vorgelegt wurden. So waren im späteren Verlauf durchaus solche Wohnungswechsel einzelner Familien üblich- wie wir es an versch. Beispielen sehen können. Das hielt den einen oder anderen, meist war es ein besonders unzufriedener Mieter, nicht davon ab, die zuständige Ortsbehörde massiv, fast bedrohlich anzugehen. Der Bürgermeister wurde auf der Straße oder beim Sonntagsschoppen zum Teil hart bedrängt- und mit Anzeige bei der Polizei gedroht, weil er angebliche (mündliche) Zusagen nicht eingehalten hätte. Wobei der Schultes solche Zusagen allein gar nicht machen konnte und durfte. Klageschriften von Rechtsanwälten und Gegendarstellungen waren Alltag. Ärztliche Gutachten spielten hinein. Auch der Gang zum Amtsgericht blieb dem Schultheiß nicht erspart. Rechtsanwaltkanzleien bildeten sich in großer Zahl - Des Einen Leid.....

Die Lage entspannt sich

Es zeigte sich bald ganz deutlich, dass der riesige Wohnbedarf nur mit der Schaffung von neuem Wohnraum zu meistern war. Der Staat war gefragt. 1950 wurde das erste Wohnungsbaugesetzt beschlossen. Es regelte die Vergabe von unverzinslichen Baudarlehen aus Haushaltsmitteln des Bundes und der Länder, bei 30 bis 35 - jähriger Laufzeit. Nun flossen Gelder in staatliche Kreditanstalten. Landesiedlungsgenossenschaften wurden gegründet. Jeder Bauwillige bekam, meist zinslose, langfristige Darlehen. So war es nicht verwunderlich, dass es zuerst Heimatvertriebene waren die den Strohhalm ergriffen und die ersten Häuschen erstellten. Fast zeitgleich aber dann schnell gefolgt von einheimischen jungen Bürgern, für die der derzeitige Wohnzustand ja ähnlich beschwerlich war. Jedoch die Gelder waren nicht ganz umsonst zu haben. Der "Investor", der Bauherr also, wurde verpflichtet, schon bei der Bauplanung geeignete Räumlichkeiten und Wohneinheiten einzuplanen und nur an Haushalte zu vermieten, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten. Diese Mietverpflichtung und auch Mietpreisbindung, galt für die Dauer des Darlehens.

 

Es geht aufwärts

Ende 1950 wurden die Zwangsbindungen stufenweise gelockert und 1960 dann abgeschafft. Häuser und Neubausiedlungen schossen allerorts aus dem Boden.

Bereits Anfang der 1950er - Jahre wurden die Lebensmittelkarten abgeschafft. Die Ladenregale begannen sich zu füllen-nur bei Zucker und Fett gab noch Lieferprobleme. Das Wirtschaftswunder nahm seinen Anfang.


Die Herkunftsorte - und Länder der Flüchtlinge in Heuchlingen - In den beiden Meldekartotheken lassen sich bei den Zuweisungen f. Hchl. folg. Herkunftsländer festmachen.

Oberschlesien ca. 90 Personen, Niederschlesien 6 Personen

Sa. ~ 100 Pers.

Tschechien: Böhmerwald, Egerland, Sudeten ~ 61 Personen
Tschechien: Nord- u. Südmähren, Sudeten ca. 68 Personen


Sa. ~129 Pers.

Slowakei ..............

Sa. Slowakei ~ 8 Pers.

Ungarn: überwieg. aus dem westl. Grenzgebiet .................

Sa. Ungarn ~ 45 Pers.

Rumänien .........

Sa. Rumän. ~ 7 Pers.

Ukraine

Sa. Ukraine ~ 1 Pers.

Berlin, Ostdeutschland (neue Länder) ............

Berlin u. a. ~ 16 Pers.

Österreich .... ..........................................

Sa. Österr. ~ 5 Pers.

sonst. Länder, unbekannt ..........................

Sa. sonstig. ~ 7 Pers.


Anmerkung:
Genannte Zahlen streuen +- 10 oder höher.
Die Zuordnungen sind lückenhaft und nicht immer eindeutig bestimmt.

Sa. ~ 310 bis
~ 320 Personen

Zeitzeugenwissen - nach 65 und mehr Jahren.

Sicher hätte man schon vor 20 Jahren oder noch viel früher mit den betroffenen Flüchtlingsfamilien (und Einheimischen) in Heuchlingen über die näheren Umständen der Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat und den Weg bis nach Heuchlingen Gespräche führen sollen. Vielleicht war die Zeit dafür noch nicht reif oder die Hemmschwellen noch etwas zu hoch. Die heute noch lebenden Zeitzeugen im Ort waren zum Zeitpunkt ihrer Vertreibung noch Kinder oder im Jugendalter. So ist das vorhandene Wissen zum Teil nur noch verschwommen vorhanden. Vieles beruht auf nachträglichen und bruchstückhaften Aussagen der Eltern und Großeltern. Aufschriebe oder Tagebuchaufzeichnungen sind nur selten vorhanden. Das Wissen der einheimischen Bevölkerung über jene Zeit beschränkt sich hauptsächlich auf kleine Details, wer wo und in welchem Haus gewohnt hat. Wissen über Einzelheiten wie Transportfahrten vom Bahnhof und die Abladestellen im Ort ist selbst von damals daran beteiligten Personen mehr oder weniger nicht mehr vorhanden.


Es gäbe noch viele Fragen zu stellen:
Wie waren die Gefühle und Reaktionen der Dorfbewohner bei der Ankunft der Flüchtlinge. Scharten sich dabei viele Bewohner - auch Gafer, um den Adler- oder Rathausplatz? Welche Gedanken kamen auf - wie sind sie gekleidet, was haben sie an, wie ist ihre Sprache, werden sie uns zur großen Last? Auch die Gefühle und Erlebnisse der Ankommenden, gespürte und gefühlte Ablehnungen von Seiten der Dorfbevölkerung. Das alles läßt sich wohl nicht mehr erfragen. Vieles hat die Zeit dann auch geglättet und in ein anderes Licht gestellt.


Der Kreis der Personen
in Heuchlingen welcher jetzt nach so langer Zeit noch Auskunft geben kann über die Fragen, wie war das mit der Vertreibung, wie habt ihr die ersten Jahre in Heuchlingen erlebt, usw. nur noch klein. Dem Schreiber wurde auch schnell klar, dass jede Familie, je nach Herkunftsland eine andere und eigene Fluchtbiographie erfahren hat. Nachstehenden Personenkreis haben wir befragt. Die einen mehr oberflächlich und per Telefon, andere dann näher durch persönliches Gespräch.


Im fogenden Thema -
"Flucht und Vertreibung aus Oberschlesien", sind stellvertretend die Fluchtchroniken der Familien Proba, Russ und Jäckel eingeflossen.

Die Vertreibungen aus den Gebieten der ehem. Österreichisch / Ungarischen Donaumonarchie war von Landstrich zu Landstrich sehr verschieden und werden ebenfalls  in Einzelthemen dargelegt.

 

zurück zu Zeitzeugen Navigation