Der "Adler" in Heuchlingen – im 20. Jh.  - bis heute.

Eine Gegenüberstellung -- Drohender Zerfall -- Aufbau, Umgestaltung -- Die Gasträume im Zeitenlauf -- Sozialer- und kultureller Mittelpunkt -- Wirtschaftliche Veränderungen/Rückgang -- Betriebsaufgabe/ Versuch eines Neubeginns -- Start Up Manufaktur im Adler -- Veräußerung / Verkauf.

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Eine Gegenüberstellung - Metzgerei und Schlachtbetriebe in Hchl.

In den Gemeinde-Pflege-Rechnungen v. 1922/23 erscheint in den Fleischbeschau--Gebührenlisten das Gasthaus Jettinger - "Adler" erstmals als Schlachtbetrieb (Metzgerei). --- In diesen Fleischbeschau- Auflistungen findet sich die Anzahl der monatlichen Schlachtungen an Schweinen, Rindern u. dgl.- sowohl in den Schlachtbetrieben Adler und Rose als auch der Gasthäuser und privaten Haushaltungen.

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Mehr als 25 zuvor wurde der Gaststätte Klingenmaier- "Rose" eine Metzgerei angegliedert.   Nach dem Gewerbeänderungs-Register von -

1894 bringt Josef Brenner das Gewerbe "Metzgerei und Schankwirt" zur Anmeldung. 1895 ist er im Gewerbekataster dann regulär als "Schankwirt u. Metzger" auf dem Haus 113" vermerkt. -- das Haus Nr. 113 betrifft das Haus „Klingenmaier "Rose".

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Interessant ist hier auch ein Eintrag im Verzeichnis der Kosten für die ärztliche Fleischbeschau vom Apr. bis Dez. 1913. Die Metzger Klingenmaier schlachtet im genannten Zeitraum 15 Rinder u. 72 Schweine, Adlerwirt Jettinger 5 Schweine für seinen Gaststättenbetrieb - (es befindet sich noch keine Schlachterei im Adler). Über einen langen Zeitraum erfolgten im Schlachtbetrieb "Rose" ein Mehrfaches an Schlachtungen wie im "Adler"

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Drohender Zerfall
1926:  Im Gewerbekataster von 1926  bittet Albert Jettinger um Herabsetzung seines Gewerbesteuersatzes mit der Begründung, dass seine Baulichkeiten in einem sehr schlechten Zustand seien und dringend der Instandsetzung bedürfen. Die Bitte war wohl nicht unbegründet.
Giebel drohen einzustürzen.

In der Pfarrchronik  für das Jahr 1944 steht vermerkt: Das wohl älteste Gebäude - der Adler, war in den beiden Giebelseiten bis zum First aus Stein so baufällig, dass zunächst die Nordost -  Giebelseite vom Fundament aus neu erstellt werden musste. (Intern angemerkt: über näh. Zeiträume un die spez. Baumaßnahmen sind keine Kenntnisse derzeit vorh.)

Solche Maßnahmen zur Bauerhaltung gehörten für die jeweiligen Besitzer wohl über viele Jahrhunderte hinweg zu den Sorgen im Alltag. Ganz sicher spielten hierbei auch die jährlich auftretenden Hochwasser der Lein eine nicht geringe Rolle, bei der die Hausfundamente regelmäßig überschwemmt wurden.

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Einige Wenige der durchgeführten Maßnahmen in den letzten 80 oder 90 Jahren sollen hier nun festgehalten sein.

< 1930: wird der große Saal angebaut mit Theaterbühne und Platz für ca. 200 Personen. -- Im alten Saal werden Fremdenzimmer und Wohnungen eingerichtet.                

< 1956: Einrichtung einer neuen Gaststube im ehemaligen „Gaststall“ (Rossstall) im EG – er ist auch als „alter Tanzboden“ bekannt.
< 1983: wird das Schlachthaus mit Garagen neu gebaut. In diesem Zusammenhang wurden die landwirtschaftlichen Gebäude abgerissen und auf der freigewordenen Fläche Parkplätze angelegt.
< 1984: wird die Metzgerei und ein Verkaufsraum neu  eingerichtet.
< 1986: Bau eines neuen Wohnhauses auf den Garagen und dem Schlachthaus.
< 1989:
Einrichtung der neuen Jägerstube im linken OG-Hausteil. In der alten Jägerstube werden Wohnräume eingerichtet.
**< 1990 er Jahre: komplette Dachsanierung und Neueindeckung.
Dabei wurden auch 5 Dachgauben an der nördlichen Dachseite angebracht. Damit verbunden war die komplette Fassaden-Sanierung, das Anbringung von Schriftzügen an der Haus-fassade und Restaurierung der Wirtshausschilder, sowie der Einbau neuer Fenster. -- **siehe hier auch: "Impressionen"
< 2006: Installation  einer großflächige Photovoltaik-Anlage  auf der südlichen Dachseite.
< 2009:
Umgestaltung und Erweiterung der Metzgerei - Verkaufsräume im EG.  Hinzukommen im Zeitenlauf umfangreiche, innerbauliche Maßnahmen, wie die Saalrenovier-rung, die Einrichtung moderner Sanitärräume sowohl im UG, wie auch im OG, die komplette Sanierung des Vorplatzes, das Anlegen von Parkplätzen und noch vieles mehr.

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Die Gasträume im Zeitenlauf.
Wohl
seit Menschengedenken befand sich der alte Gastraum auf der rechten Seite im OG mit Fenster zur Traufseite - und zur West-Giebelseite hin. In der linken Haushälfte im OG befand sich der alte Saal. Nach dem Saalbau 1930von Maurer Vogelmann durchgeführt - wurden in den Räumlichkeiten des alten Saales Fremdenzimmer und private Wohnräume eingerichtet. Der Übernachtungsbetrieb wird dann in den 1970er-Jahren eingestellt.

Zuvor schon, im Jahr 1956, entstand im ehemaligen „Gaststall“ (Rossstall) im EG,
eine neue und schmucke Gaststube
.  Die alte Gaststube im OG diente fortan als „Jägerstube“. Um 1989 erfolgte dann ein Platztausch.

Die "Jägerstube" fand ihren Platz im linken OG-Hausteil, also im erwähnten ehemaligen alten Saal. Hierbei war dann auch ein direkter Zugang von der Jägerstube zum Saal möglich. Die alte Jägerstube wurde zur Wohnung eingerichtet.

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Der "Adler" - kulturelle und soziale Begegnungsstätte.

Wie an anderer Stelle schon erwähnt waren die größeren Gasthäuser schon immer auch ein Treffpunkt für freudige und traurige Anlässe. Das trifft im besonderen Maße auch hier für das Gasthaus Adler zu. Einmal gab es das Bedürfnis nach einem abendlichen Umdruck und Unterhaltung – das Gasthaus war in früherer Zeit hierfür der einzige geeignete Ort. 

Daneben waren Gasthäuser mit ihren Räumlichkeiten früher auch eine wichtige Stätte für Familienfeiern - die damals herrschenden Wohnverhältnisse ließen solche Feiern in der heimischen Behausung ja nicht zu – genannt seien:  Hochzeiten, Taufen, „Leichenschmaus“ (Trauerfeiern). Aber auch Lustbarkeiten, wie: die jährlichen sogenannten "Kirchweihen" (in allen Gasthäusern des Orts) oder ganz allgemeine Tanzvergnügungen. Wobei hier (früher-vor 1950) die weltliche und  kirchliche Obrigkeit ein strenges Auge hatte, wie in einem Ausschnitt im Kirchenkonvent von 1820 zu entnehmen ist: im heutigen Kirchen- Konvent  wurde die Klage vorgetragen, dass oft, sowohl Schul - als noch kleinere Kinder mit und ohne Eltern bei öffentlichen Lustbarkeiten sich bis in die späte Nacht im Wirtshause aufhalten; Diesen Unfug zu stürzen, wurde der Ortspolizei schärfere Aufsicht empfohlen, und die Eltern erhielten künftigen Sonntag eine Ermahnung hierüber von der Kanzel.

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Der Adler - Produktionsstätte, Lazarettersatz, Notaufnahmelager für Flücht-linge, Vereinslokal, Turnhalle, Theaterbühne und vieles mehr.

Ältere Zeitzeugen berichten, dass in den Kriegsjahren im Adlersaal Wehrmachts-uniformen genäht wurden. Außerdem, von Schulungen für Rotkreuz - und Wehrmachts-helferinnen oder Unterweisung der Bevölkerung im Luftschutz und Brandschutz.

In den 1950er- Jahren fanden im Saal auch regelmäßig Nähkurse und Übungen an modernen Nähmaschinen statt. Sie wurden von der Fa. Eisele zur Vorstellung ihrer „Pfaff-Nähmaschinen“ abgehalten.

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Flüchtlinge und Vertriebene (nach dem Weltkrieg)

Eine herausragende Stellung erfuhr der „Adler“ dann nach Kriegsende als Notauf-nahmelager. Über zwei Jahre hinweg, 1945 und 1946, waren der alte Tanzboden und der Saal, man kann sagen überlebenswichtig für die ankommenden Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Allein im Okt. 1945 wurden vom Bahnhof Mögglingen aus 80 Flüchtlingen nach Heuchlingen angefahren. Beide Räume wurden eiligst mit Stroh und Decken ausgelegt, worauf die Angekommenen Platz finden konnten. Selbst die Pferdeboxen in den Ställen wurden, wenn auch nur kurzzeitig, als Notlager herangezogen. Die vorgesehenen Hausquartiere konnten einfach nicht rasch genug bezugsfertig gemacht werden. Erst nach jeweils 2 bis 3 Wochen, wurde dann wieder Platz frei für die ständig nachfolgenden Flüchtlingsströme.

Der Adler als Vereins- und Vergnügungsstätte.

Der Wiederaufbau schritt voran - die Wirtschaftswunderjahre folgten. Das Vereinsleben blühte wieder auf. Es gab jetzt keinen Werktag in der Woche, an dem nicht irgendwelche Aktivitäten im Adlersaal stattfanden. Unvergessen die Turnstunden am Reck, Pferd und Barren, die Turnstunden für die Kinder mit Josef Schwarz.

Dann die wöchentlichen Chorproben des Liederkranzes oder des Musikzuges, diese oft auf 2 und 3 Räume verteilt.

Unvergessen auch die Theateraufführungen der Vereine. Wahre Dramen über Liebe, Eifersucht, Raub und Mord kamen zur Aufführung. Luststücke zum Theaterschluss mussten die Gemüter dann wieder beruhigen. Die beteiligten Schauspieler waren Jung und Alt bekannt - noch nach Jahrzehnten.

Nicht vergessen seien die Faschingsbälle. Ob „TV-Ball, „Liederkranzball, „Flüchtlingsball, oder „Molkeball. Die Lust auf Vergnügen, nach all den Kriegsjahren und Entbehrungen, war allgegenwärtig. Oft reichten die Räume im Erd - und Obergeschoss nicht aus um alle die Narren und Närrinnen aufzunehmen. Im Laufe der Jahre hat sich dies Alles dann beruhigt und normalisiert – andere Freizeitaktivitäten traten auf.

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Aufschwung - Veränderung – Niedergang

Durch den Flüchtlingszustrom wuchs die Bevölkerung in den Städten und Gemeinden stark an. Wohnungen mussten gebaut werden. Ein Bau-Boom und starker wirtschaftlicher Auf-schwung über lange Jahre setzte ein – bald herrschte Vollbeschäftigung. Allmählich trat auch ein gewisser Wohlstand ein, die Gemeinden wurden größer, Turnhallen und Vereinsheime und Gemeindehallen wurden gebaut. Aber auch Anderes deutet sich an: die Menschen werden mobiler, Getränkehändler liefern die Getränke vor die Haustür und in die Keller. Fernseher in den Stuben ersetzten – ganz allmählich, den geselligen Wirtshausbesuch, das Kartenspiel, die Gesänge. -- Gaststätten und Gasthaussäle hatten –ganz allmählich- ihre Schuldigkeit getan – ein Zeitenwandel. Eine weitere Beobachtung: durch das Bestreben nach höherer Bildung werden immer weniger Handwerks- u. Dienstleistungsberufe ergriffen, manche verschmäht - man denke hier an Berufe wie: Metzger/Fleischer, Bäcker, Metzger-eiverkäuferin, Berufe im Gastronomie Bereich, nur um ein paar zu nennen. Als Folge: Seit Jahren nun kann man ein regelrechtes ein Gasthaussterben beobachten. Immer mehr Gasthäuser schränken den Betrieb stark ein, öffnen nur noch an wenigen Tagen oder wenigen Stunden ihr Haus. Von insgesamt 7 einmal existierenden Gasthäusern im Ortsbereich Heuchlingen (ohne das „Leintäle“) überlebte - heute im Jahr 2023- nur noch eine, die „Krone“ an der Leinzeller Straße---- Und das historisch alte Gasthaus Adler?

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Betriebsaufgabe/ Versuch eines Neubeginns.

In der 2. Januarwoche 2022 geht der Metzgereibetrieb in die Hände der Fa. Nagel- in Schwäb. Gmünd ansässig, über. Das Verkaufspersonal wird von der Fa. Nagel übernommen. Dabei übernehmen Albert Jettinger und dessen Frau Anita die Leitung des Verkaufs.

Zur gleichen Zeit werden die Inventaren der Gaststätten, Küche und des Adlersaales ausgeräumt, im Saal gesammelt und wohl zum Verkauf ausgeschrieben.

Anfang März 2022 stellt die Fa Nagel den gesamten Metzgereibetrieb im Adler ein, der Verkaufsautomat wird gelehrt, der Essen-Lieferservice eingestellt, das Personal freigestellt.

In Heuchlingen gibt es nun keine Metzgerei mehr, nachdem die Gaststätte und Metzgerei Klingenmaier ihren Betrieb schon 2014 / 15 eingestellt hatte (insolvent). Was ist schiefgelaufen?

Start Up Manufaktur im Adler -- Veräußerung / Verkauf.

Im Dezember 2022/ Jan. 2023 regte sich in den unteren Räumen des Adlers lebhafter Betrieb. Ein Start Up – Unternehmen ist mit seiner Manufaktur ist in die Adler- Keller und Räume der ehemal. Schlachterei eingezogen.

Sein Name: Erfrischerling Kombucha, mit Sitz in Abtsgmünd. Kombucha ist ein Getränk mit Ursprüngen in Asien. Es wird durch eine Fermentation von gesüßtem Tee mit Kulturen aus Bakterien und Hefen in ver-schiedenen Geschmacksrichtungen hergestellt. Die Fermentierunge und die weitere Verarbeitung erfolgt hier in den unteren Adlerräumen – Eigentlich ganz gut passend für eine ehemalige Brauerei (vor ~ 110 Jahren). ….

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Im Frühj. 20025 wird auch die genannte Getränkeherstellung nach auswärts verlagert. Der „Adler“ ruht seitdem ganz.
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Veräußerung z. Verkauf ausgeschrieben.

 

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Quellen- Archive - die Adler-Html-Seiten betreffend.: Gemeindearchiv Heuchlingen - Pfarrarchiv Heuchlingen ---- Befragte Personen: Anton Knödler, Martha Knödler, Marie Werner, Albert Jettinger.
Bilder: Fotos aus Privatbeständen und Fotografien vor Ort u.a. --- Textauszüge Heimatbüchlein v. Pfarrer Zuber, 850 Jahre Heuchlingen, Recherchen v. Pfarrer Zeyer u.a.

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