Kleine Exkursion entlang der Lein.

Die Lein von der historischen Seite gesehen.

Wenn man den Leinfluß im großen Bereich der "Waage" - s. Luftaufnahme ~1930 -bis vor zur Mühle betrachtet, verwundert der Flußverlauf: über das erste Wehr scharf links abbiegend um die "Insel" herum wieder zurück in das vermeintlich alte Leinbett. Dies war sicher nicht immer so. Vorstellbar ist, dass mit der Erbauung einer Mühle in Heuchlingen und dem hierführ erforderlichen Mühlkanal sich der Flußverlauf allmählich verändert hat.
Angemerkt hierzu:  der Bau der Mühle kann in das 12. oder 13. Jahrhundert datiert werden, wie Untersuchungen von alten Holzverbauungen gezeigt haben. (Qu. Aussage O. Schmid)

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Dabei könnte der ursprüngliche Leinverlauf einmal so ausgesehen haben:

ca 300 m westlich der Waage stößt die Lein beim Nägelessee gegen den Mühlrainrücken und fließt nun im scharfen Bogen weiter auf die linke Talseite zu und über den äußeren Aalwasserbereich (richtig Altwasser) in den äußeren Inselbereich. Dort führt ihr Verlauf dann weiter im Bogen in den alten Leinbereich unterhalb des Mühlkanals, fließt dort dann in einem scharfen Linksschwenk an der Mühle vorbei, um 100 m weiter in einem weiteren Linksschwenk dem Brückenbereich zuzustreben - eine Spekulation.

So mäandernd schlängelte sich die Lein dann weiter von einer Talseite zur anderen ihrer Mündung in de Kocher in Abtsgmünd zu - siehe hierzu auch den "Leinfluss um 1840"

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Blutegel an der Lein.

Beginnen wir unsere Exursion 200 oder 300 Meter von der Waage flußaufwärts, beim Nägelessee - sein richtiger: "Egelesee". siehe wie vor: "Leinfluss um 1840" - links unten im Bild. Es war dies ehedem eine größere Sumpf -und Seeenlandschaft, die von der Lein und dem anschließenden Bergrücken gespeist wurde (und z. Tl. noch wird). Die schon sehr früh in Heuchlingen tätigen Bader schöpften dort die begehrtlen Blutegel, welche dann für allerlei "Schröpfarten" bei verschiedenen Beschwerden der Dorfbewohner zur Anwendung kamen.
Wissenswertes hierzu: bereits 1366 wird in Hchl. eine Badstube zusammen mit dem

Badbrunnen genannt. Fast 500 Jahre bestand für diese Badstube dann eine Badgerechtigkeit.

Die Führung einer solchen Badstube unterlag strengen Regeln hinsichtlich Reinlichkeit und Fachverstand. Sie oblag einem Bader oder auch einem Badmeister - allgemein nur Bader genannt. Der Bader - er wurde von der Gemeinde bestellt, war zugleich Wundarzt und Aderlasser. Auch setzte er den Leuten Blutegel an. Diese kamen sehr reichlich am Nägelessee vor. Davon zeugt nun auch der Flurname "Nägelessee" - richtig: Egelessee, abgel. v. Egel.

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Schlittschuhlaufen auf der Lein und seinen Altarmen --- Holzfällarbeiten

auf der Lein. Wir machen einen Sprung in das 20. Jh. - in die ältesten Erinnerungen noch lebender Zeitzeugen - Br. Schierle, O. Bauer, Jg. 1926, A. Knödler u.a.

In der ersten Hälfte des 20. Jh. bis weit hinein in die 2. Hälfte, herrschte in den Wintermonaten oft strenge Kälte. Die Lein, samt ihren Altarmen, war dann immer mit einer dicken Eissschicht überzogen - diese betrug dabei nicht selten 15 bis 20 cm oder auch mehr. Ein Eldorado für die Schuljugend und jungen Leute im ganzen Dorf. An solchen Eistagen zog dann oft die ganze Lehrerschaft mit ihren Schulklassen zum Schlittschuhlaufen - oder auch nur zum "Schleifen" auf den blanken Schuhsolen, aus auf die Lein - ein bunter und froher Haufen mit nicht selten 50 oder mehr Kindern und Jugendlichen.

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Schleifen und Schlittschuhlaufen und Verbotenes im "Aalwasser" und der "Insel"
Beide genannte Altarm- Areale waren schilfbewachsene Sumpfgebiete in denen im Frühjahr und Sommer die Frösche ihr weit hörbares Konzert abhielten. Vor Ostern sah man in den Nächten oft geheimnisvolle Lichter zwischen den Schilfbüschen flackern. Es war Fastenzeit und zahreiche Froschjäger waren zugange, um in die mitgeführten Säcke Frösche zu fangen - - - Ja in Heuchlingen wurden - obwohl schon verboten, früher noch Froschschenkel verspeist - noch bis in die 1970er- Jahre hinein.

In den Herbst - und Wintermonaten füllten sich beide Sumpfgewässer allmählich immer mehr mit Wasser, das in den Frostnächten dann zu spiegelnden Natureisflächen gefrohr. In der großen Schulpausen war jetzt den Schulbuben der Weg das "Beckenwäldle" hinunter zum "Aalwasser" nicht zu weit, um mit großem Anlauf auf blanken Schusohlen einige Male in die vereisten Schilfgassen zu sausen. Verschwitzt wurden dann an den Pausenenden die Klassenzimmer wieder erreicht.

Die weitverzweigten Schilfgassen auf der "Insel" bildeten nicht minder ein Eldorado für die kleinen und grossen Schlittschuhläufer während der schulfreien Zeit. Noch gut in Erinnerung ist noch der heimatvertriebene Lehrer A. Wiesner -aus Mähren kommend - wohl ein Stadtmensch. Mit großem Schwung, vorwärts - rück - und seitwärts, zog er seine Bahnen durch die Schilfgassen der "Insel" -- Große Augen.

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Noch einen sehr praktischen Effekt
brachten die strengen Winter mit ihrer dicken Eisschicht auf der Lein. Die Anrainer von Grundstücken an der Lein nutzten jetzt die Eistage um die ufernahen Erlen - u. a. Baumbestände direkt auf die Eisflächen zu fällen und dort aufzuarbeiten. Die zurechtgesägten Stamm- und Reisigteile konnten jetzt bequem ans Ufer geschafft und auf Fuhrwerke verladen werden.

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Tauwetter und Schneeschmelze
im Frühjahr sorgten jetzt für das alljährlich bekannte - oftmals sich wiederholende Schauspiel: die Lein trat über ihre Ufer. Nicht selten war dann die ganze Talaue überschwemmt und auch die Straßen überflutet. Rießige Eisschollen mit 10 und mehr Quatratmeter Fläche und 15 oder 20 cm Dicke stauten sich dann am Brückenpfeiler oder wurden in den Talwiesen abgelegt. "Hochwasser und Überschwemmungen" soll später noch an anderer Stelle näher beleuchtet werden.

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Klimawandel?

In der 2 Hälfte des 20. Jh. machte sich dann schon eine allmähliche Klimaerwärmung bemerkbar. Die Winter verloren an Strenge. Erwärmte Abwässer aus den neu erbauten Kläranlagen flossen in die Lein. Eine Leinbegradigung 1959/60 unterhalb der Brücke beschleunigte die Fließgeschwindigkeit. Die ersten Wasserrückhaltebecken -1958 bis 1982, wurden gebaut. Die Wassermengen flossen nun geregelter. All dies bewirkte, dass die Eisbildung auf der Lein immer geringer wurde - wie auch die Talüberschwemmungen immer seltener auftraten. Das Schlittschuhlaufen und Holzfällerarbeiten auf der Lein wurde unmöglich. Und, die Altarme "Aalwasser" und "Insel" wurden entwässert und bebaut. Eissport wurde auch hier unmöglich. Eine lange Tradition verlor sich.

 

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