Die letzten Kriegstage in Heuchlingen,  Kreis Schwäb. Gmünd

Geschichtliche Darstellung von Pfarrer G. Zeyer – Pf. Archiv Band II -hier gekürzte Auszüge.


Deutsches Militär im Dorf und Bombenabwurf über Heuchlingen

Anfangs April 1945 war deutsches Militär im Dorf einquartiert. Verantwortungslos waren die Militärfahrzeuge nicht in Deckung untergebracht, sondern standen ganz offen in den Dorfstraßen umher. In verschiedenen Scheuern hatten sie Munition gelagert. Das Militär ging beim Überfliegen feindlicher Flugzeuge nicht in Fliegerdeckung, sogar der General blieb dabei mitten auf der Straße stehen und beobachtete die Flieger mit seinem Feldstechen. So war es nur selbstredend, dass die feindlichen Tiefflieger  alsbald zurückkehrten und Bomben über unser Dorf abwarfen. Inzwischen waren die Munitionskolonnen aber schon im Abzug.

Bombenabwurf am Freitag den 6. Apr. 1945. Bei diesem Bombenabwurf gingen etwa 12 Bomben im Dorf nieder. 8 Bomben in der Nähe derselben - der vermeintl. Munitionskolonnen. Davon fiel

1 Bombe durchs Dach in einen Viehstall von Röhrle Hans (am Aufgang z. Kirchberg), schlug einer Kuh das Horn ab, ohne weiteren Schaden zu stiften - es war ein Blindgänger.  

2 Bomben gingen am Friedhof nieder und legten eine Seite der Friedhofmauer um.

2 Bomben stecken heute noch als Blindgänger im Garten des Anton Waidmann (auf dem Kirchbühl) Diese wurden später ausgegraben u. entschärft.

2 oder 3 Bomben fielen in den Garten des J. Stitz - Kronenwirt und an die Friedhofmauer unterhalb des Pfarrhauses. Dabei wurde die Ostseite des Friedhofs fast vollständig umgelegt und eine Anzahl Grabsteine umgeworfen und beschädigt. Im Pfarrgartenwurde eine Anzahl Obstbäume schwer getroffen und werden wohl eingehen. Ebenso musste eine starke Eiche gefällt werden, da sie von Bombensplittern völlig durchsiebt war. Einige Bomben gingen in der Nähe des Adlers, im Garten des Wanner und Munz, nahe beim Haus des J. Stegmaier nieder und richteten dort einen großen Schaden an. Dabei  wurden auch viele Dächer abgedeckt, Fensterscheiben zertrümmert und weitere Gebäude beschädigt. So auch das Dach der Kirche, des Pfarrhauses, der Pfarrscheuer und meines (d. Pfarrers) Bienenstandes mit etwa 10 Einschlägen. Mehrere Bienenvölker wurden durch den Luftdruck geschädigt, ein Volk ging  ganz zu Grunde. Sämtliche Fenster der Kirchensüdseite konnte noch im Juni ersetzt werden. Die Fenster der Westseite (Nordseite) konnte ausgebessert werden. Der Kirchturm zählte über 30 Bombensplittertreffer.
 

2 Tote. Bei diesem Bombenabwurf kamen aber auch 2 Personen ums Leben: ein evakuierter Mann und ebenfalls eine evakuierte Frau. Die Frau wurde im Haus (im heut. Hs. Ilgauds) von einem Bombensplitter getroffen, der Mann dagegen war auf der Straße (Möggl. Str. b. Wanners-Garten) und sank ebenfalls von einem Splitter getroffen tot zusammen. Da die Tiefflieger den ganzen Tag über die Gegend kreisten, konnten die Toten  kaum beerdigt werden und erst gegen Abend. Nur wenigen Personen getrauten sich ins Freie zur Beerdigung. Das gleiche war auch der Fall bei der Beerdigung des Wagners Steeb, welcher um die gleiche Zeit starb.

 

April 1945 - die letzten Stunden vor dem Einmarsch - Stimmungsbildchen – v. Zeyer dargelegt

Äußerst gereizte Stimmung bei den Leitern des Volkssturmes wegen der Panzersperren. Davon wurden 2 errichtet und zwar schon ein paar Wochen vor dem Einmarsch der Amerikaner, die eine oben an der Schechinger Straße, die andere an der Mögglinger Straße, hier  zwischen dem Oberstberg und dem Haus Vogt. (heute Wengert) Die Leute wollen dieselben nicht schließen. Die Leiter drohen mit Erschießung im Falle der Weigerung, da drohen die Mannen selber den Leiter mit Totschlagen. Der bekommt es mit der Angst zu tun und haut ab. Die Panzersperre bleibt offen.

Ein Mädchen aus Holzleuten bringt von Mögglingen die Nachricht, dass dort schon die Amerikaner wären. Der politische O.G. droht mit Einsperren und Erschießen, wenn sie dieses nochmal sage. Wenige Stunden später rückten die Amerikaner dann schon in Heuchlingen ein.

In Holzleuten legt Alber Elser ein weißes Tuch aus. Der O.G. sieht dies und bringt Elser zur Meldung. Elser wird verhört und verhandelt. Er redet sich damit heraus, er habe das nasse Sähtuch zum Trocknen ausgelegt. Elser entkam dadurch mit Mühe noch kurz vor dem Einmarsch dem sicheren „Erschießen wegen Vaterlandsverrat“.

Georg Knödler in Heuchlingen ist zum Bewachen und Schließen der Panzersperre kommandiert. Er erscheint nicht. Er hat Teppich und Essen für ein paar Tage zusammengesucht und sucht ein Heckengestrüpp auf, um hier in Deckung das Kommen der Amerikaner heute oder morgen zu erwarten.

Wichtige politisch belastende Parteisachen werden in aller Eile teil vergraben, teils vernichtet und verbrannt.

Am Samstag den 21.4.1945 erfolgte eine kurze Artilleriebeschießung von ½ 11 – 11 Uhr,  ohne nennenswerten  Schaden. Im Ganzen waren es 6 Schuss, die  an den Rand des Dorfes fielen. Einige Fensterscheiben gingen zu Bruch.

Die Sprengung der Leinbrücke war wohl geplant und angeordnet. Schon war das Sprengkommando unterwegs zur Sprengung. Als aber Granaten ins Dorf pfiffen, hatten sie es mit der Angst zu tun und suchten ihr Heil anderswo. So unterblieb die Sprengung.


Einmarsch der Amerikaner in Heuchlingen

Die Besetzung des Dorfes durch amerikanische Truppen erfolgte am Montag den 23. April nachmittags um 2 Uhr. Ehe die Leute recht aufwachten aus dem Schrecken und der Angst der vergangenen Tage war der Einmarsch auch schon vollzogen. Wiederstand wurde nicht geleistet. Eine Episode hierzu eingeschoben: G. Sch., ein junger (u. leichtsinniger) u.k. gestellter oder wehruntauglicher Arbeiter, ging den Amerikanern oben an der Schechingerstraße entgegen, zeigte sich wohl ergeben und hieß den Feind willkommen. G. Sch. durfte auf dem  ersten Panzer vorne aufsitzen und fuhr wie im Triumpf in Hchl. ein (hat Hchl. sozusagen mit eingenommen-dieser Streich war nicht allen Einwohnern verständlich)

 

Brückeneinsturz. Als nun bei diesem Einmarsch ein schwerer Panzer die Leinbrücke passierte, brach die Brücke unter dessen Last zusammen und ging zur Hälfte (es war der linke Brückenteil) mitsamt dem Panzer in die Tiefe. Nach zwei Tagen wurde ein Notfußsteg über die Lein geschlagen (ca. 60-80 m unterh.alb d. Brücke) Die Fuhrwerke und Autos passierten an seichter Stelle den Leinfluss (eine alte Furt 20 m unterh. d. Brücke), bis im Herbst 1945 die zusammengebrochene halbe Brücke durch eine Holzbrücke für Fuhrwerke wieder passierbar wurde. (Zwischen  dem rechten Widerlagelager  und dem mittl. Lager  wurden 50- 60 cm dicke  Baumstämmen aufgelegt und mit starken Querbohlen belegt, dazu an beiden Seiten stabile  Holzgeländer angebracht – fertig war die Brücke.)

 

Einquartierungen. Die Truppen wurden nun im Dorf über die Nacht einquartiert, 10, 20, 30 oder auch 50 Mann in einem Haus. Pfarrhäuser wurden dabei im Allgemeinen von Einquartierungen frei gelassen. Da aber plötzlich bei Nacht noch eine größere Anzahl Truppen hierher verlegt wurde, musste auch unser Pfarrhaus 30 Amerikaner übernehmen. Der Pfarrverweser (ich war noch nicht zurück) durfte im Studierzimmer verbleiben. Dagegen mussten die Evakuierten  Frl. Gruber u. Frl. Zwick, sowie meine Schwester und deren  Hausgehilfin ausziehen und im Keller übernachten. Nur ein prima Zeis Glas (Feldstecher) ließen sie (d. Amerikaner) mitlaufen. In anderen Häusern klagte man vielfach über sehr umfangreiche Plünderungen besonders von Polen und Russen, welche unter den amerikanischen Truppen waren. Diese Plünderungen hielten noch lange Zeit an.


Scheinhinrichtung
- ein wissenswertes Ereignis hierzu von Albert Deibele berichtet.

Eine üble Suppe hatte der Bauer E. B. und der damalige stellvertretende Bürgermeister auszulöffeln. E. B. hatte während des Krieges auch Polen und Russen als Zwangsarbeiter beschäftigt, die nach dem Einmarsch der Amerikaner  in einen Siegestaumel verfielen. Nach reichlich Alkoholgenuss und wohl auch aus Rache suchten sie die Wohnung des E. B. auf und hausten schlimm darin. Sie durchstöberten das ganze Haus und fanden ein Jagdgewehr. Auf dem Besitz einer Waffe stand damals die Todesstrafe. Die Ausländer meldeten den Besitz den Besatzern. Der zuständige Offizier verlangte nun vom stellvertretenden Bürgermeister die Auslieferung des E. B. Dieser war jedoch flüchtig geworden und nirgends zu finden. Darauf eröffnete der Offizier dem Bürgermeister, dass er ihn selbst erschießen lasse, falls er B. nicht herbeischaffe. Er zog eine Fotografie aus der Tasche, zeigte sie dem Bürgermeister und sagte: „ Diese beiden Kinder sind in London bei einem deutschen Fliegerangriff ums Leben gekommen. Ich bin hart geworden und kenne kein Pardon gegen einen Deutschen. Der Bürgermeister betonte sein Unvermögen den B. herbei zu schaffen, da er dessen Aufenthaltsort nicht kenne. Nun wurde der Bürgermeister vor den Ort hinausgeführt und alles zu Erschießung vorbereitet. Noch sollte er einen letzten Wunsch äußern dürfen. Er bat, von seiner Familie Abschied nehmen zu dürfen. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Darauf wurde er wiederum aus dem Ort geführt, und der Vorgang wiederholte sich. Als jeden Augenblick das Kommando: „Feuer!“ zu erwarten war, kam ein Knecht vom Brackwanghof und meldete, dass er den Gesuchten E.B. droben im Wald gesehen habe. Darauf wurde der Bürgermeister entlassen. Er ist heute der Meinung, dass alles nur auf Einschüchterung berechnet gewesen sei; aber für ihn und  die Seinigen- und das können wir ihm glauben- sei die Sache damals bitterer Ernst gewesen.  Weiteres hierzu siehe das separate Themenobjekt „Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Heuchlingen in der  Startseite Index.

 

Artilleriebeschuss. Von abends 9 Uhr bis morgens 6 Uhr schossen die Amerikaner aus Geschützen und Panzergeschützen  ununterbrochen in Richtung Heubach- Rosenstein – auf den sich angeblich deutsche Truppen  gesammelt  hatten, ohne dass ein Schuss geantwortet wurde. Die Stellungen der Geschütze waren im Garten von Patriz Bihlmaier, Hillenbrand-Ilg, im Gänsfeld, also am Rande des Dorfes und im Dorf selber neben dem Friseurhaus, Barthle und Bauer Wöller.

 

Nach dem Einmarsch

Nach dem Einmarsch der amerikanischen Besatzungstruppen wurde sofort jeder Telefonverkehr stillgelegt. Der Eisenbahn- und Postverkehr war schon ein paar Woche zuvor eingestellt worden.

Es war Ausgangssperre verhängt. Niemand durfte in Nachbarorte ohne Ausweis. Nun war aber der Tag vor dem Heuchlinger  Fest. Ein auswärtiger Geistlicher aber hatte an dem Tag ausgeholfen und sollte wiederum in seine Pfarrei zurück. Neben dem Pfarrhaus standen 2 amerikanische Soldaten Wache.  Diese fragte ich um Ausreiseerlaubnis und erklärte, dass der Herr heute Morgen hierher gekommen sei, da noch keine Sperre war und nun müsse er doch zwecks Dienst in seine eigene Pfarrei wieder zurückkommen. Einer der Soldaten stotterte in halb deutscher Sprache: „Amerika Soldat, viel Soldat. Und Amerika sagen: Du bleiben, dann Du bleiben. Aber drauf sagte ich: „Domms Lettagschwätz, saudomms! Ganz verdutzt schaute der Soldat uns nach. Wir gingen an die Straße, fassten das nächst  beste Auto mit Offizieren ab und brachten wiederum das gleiche Anliegen vor  und anstandslos erhielt der Pfarrer Erlaubnis heimzukehren.

Große Schwierigkeiten bereiteten anfänglich  das Mitführen der Kennkarten. Einmal war Kantrolle. Die Amerikaner hielten an den Äckern, wo Leute auf den Feldern arbeiteten. Sie hatten natürlich keine Kennkarten, wurden auf Lastwagen geladen, in den nächsten Ort Schechingen geführt, dort abgeladen und konnten wieder zu Fuß heimwärts stapfen zu ihren geängstigten Angehörigen.

Was taten die Leute schließlich? da sie doch, zumal Mädchen und Frauen, keine Taschen in ihren Röcken haben. Sie hingen unter ihren Mist- oder Leiterwagen eine Tasche in welcher die Kennkarten, auch unter dem Güllenfass, einer eventuellen Kontrolle harrten.
Episode:
Einmal kamen die Amerikaner an einen ganz Falschen. Sie hatten wieder einmal Kontrolle und Razzia. Ausgerechnet hielten sie vor dem Adler und Karle Jettinger stand vor dem Hause. Diesen wollten sie fragen und kontrollieren. Der machte dumme Bewegungen und schrie nach seiner Mutter. Er wurde gefasst und Widerstand leistend festgenommen und abtransportiert. Während dessen seine einzigen vernünftigen Worte der Ausruf: „ O armes Deutschland“. Durch Vermittlung der Behörden und seiner Eltern wurde Karle alsbald wieder frei gelassen.

 

Nächtliche Ausgangssperre. (Int. eingefügt) Gleich nach dem Einrücken der Amerikaner wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Von abends 19 Uhr bis morgens 6 Uhr durften die Dorfbewohner ihre Wohnanlagen nicht mehr verlassen, Wege und Straßen nicht mehr betreten - Schusswaffengebrauch wurde angedroht.  Ein Problem entstand dabei vor allem in der Heuernte. Hier war ja nicht  selten die halbe Bauerfamilie abends noch auf den Feldern zum Mähen, Gras streuen oder Umwenden. Uhren hatten nur wenige dabei - man vergaß sich. Der Erfasser dieser Zeilen (damals 7 J. alt) kann sich noch an einen solchen Heimgang vom Feld erinnern. Es dämmerte schon, die erlaubte Ausgehzeit war weit überschritten – er hatte fast Todesangst bei diesem Heimgang. Die begleitenden Erwachsene  wohl auch - es ging aber alles gut.

 

Lange Weile ?

9. Juni: Des Abends schossen die Amerikaner (die Straßenbewachung) zahlreiche Leuchtkörper ab: grün, rot, gelb, violett und schwarz und einen Fallschirmleuchtkörper.

10. Juni. Den ganzen Tag über schossen die amerikanischen Straßenkontrollsoldaten Fische in der Lein. (nach diesen Spielereien schwammen dann immer zahlreiche tote Fische an der Wasseroberfläche – der Druck beim Einschlagen der Gewehrkugeln in das Wasser zerriss  wohl ihre Schwimmblasen)

Soweit einige  Auszüge der geschichtlichen Darstellung von Pfarrer G. Zeyer