Die
letzten Kriegstagen 1944 – 1945 – Auszug aus Notierungen von Pfarrer G. Zeyer im Band II der Pfarrchronik.
Krieg im Land Feindliche
Flugzeuge über unser Dorf - S.
101 Am
Freitag den 25 Febr. 1944 überflogen am helllichten Nachmittag 650 amerikanische
Flugzeuge im schönsten Sonnenschein in dicht hintereinander folgenden
Wellen zu je 50 Stück in schönster Ordnung unsere Gegend. Wie soll
dieser Krieg noch weitergehen. Und was wird er noch an Schrecken,
an Leid an Not u. Tod über die Lande bringen, bis er zu Ende sein wird.
Und welches Elend, welche Verarmung und welche Lasten werden unser erst
hernach erwarten. Und welch religiöse, sittliche und
wirtschaftliche Not wird dann gelindert und geteilt zu werden versucht
werden müssen? Luftkampf über Heuchlingen - S. 102 Am
Donnerstag, den16 März 1944 nachmittags um ½ 12 Uhr wollte ich im Adler
nach Auernheim telefonieren. Das Amt Aalen gab Bescheid: Unmöglich! Fliegeralarm. Als ich kurz vor 3/4 12 Uhr heimging ins
Pfarrhaus hörte ich bereits, dass ein gewaltiges großes feindliches
Bombergeschwader im Anflug sei über unsere Gegend. An der Kirche angekommen,
hörte man bereits, dass Deutsche Jäger im Kampf gegen den Feind waren
durch häuser-erschütternde Kanonade. Schon hörte man
das Niedergehen von Bomben, die jedoch nicht explodierten, über
die Ziegeldächer hörte man prasseln. Nach etlichen Minuten wars der
Hauptsache nach vorbei. Es
war schlecht sichtiges Wetter, da es ein wenig schneite. Siehe, da hellte
es sich plötzlich auf und schon sah man die Wirkung. Mögglingen zu sah
man ein Flugzeug senkrecht aus großer Höhe abstürzen, eine schwarze
Rauchfahne von verschiedenen Km hinter sich lassend. Fast gleichzeitig
sah man weiter rechts etwa gegen Heubach ein brennendes Flugzeug abstürzen. Über Heuchlingen
und dessen Markung sah man gleichzeitig bald hier bald dort einzelne
Gegenstände herunterstürzen. Gleichzeitig trudelte über Holzleuten ein Flugzeug ab. Fast
zu gleichen Sekunde trudelte über Heuchlingen ebenfalls ein Flugzeug
ab. Noch war dieses nicht ganz zu Boden gestürzt. Sah man einen Fallschirm
neben dem Schwesterhaus niedergehen. Immer noch fiel bald hier, bald
dort etwas Unkenntliches aus der Höhe nieder auf Wiesen und Felder.
Und schon wurde es lebendig in den Gassen und Gärten. Im Einzelnen zeigte
sich, soweit ich selber es sehen konnte folgendes Ergebnis - S. 103
– 1944: Das ín Holzleuten niedergetrudelte Flugzeug
war ein angeschossenes deutsches Jagdflugzeug, eine Messerschmitt 109,
mit 2 Mann Besatzung und 4 kleineren Bomben. 2 Bomben waren abgeworfen,
2 hingen „geschärft noch im Flugzeug.
Das Flugzeug fiel genau auf das Dach des Hauses Grimminger in Holzleuten
nieder, rutschte dort ab unmittelbar vor dessen
Scheuer. Die Hälfte des Daches war teils eingedrückt und die
Dachplatten heruntergeworfen. Aus dem Flugzeug wurde ein deutscher Pilot
herausgeholt, der verhältnismäßig glimpflich davon kam, wenn auch mit
etlichen Verletzungen und Verstauchungen. Glücklicherweise waren die
beiden geschärften Bomben nicht losgegangen. Etwa 700 lt. Benzin liefen
aus, als ein Bächlein durchs Dorf. Der Pilot wurde im Sani – Auto nach
Gmünd verbracht. Seinen Beifahrer hatte er im Fallschirm abspringen
lassen, ihm selber wars aber nimmer möglich. Der im Fallschirm abgesprungene
Pilotwurde zur Hälfte im Garten vis a vis von Schneider Hägele a. Heuchlingen
aufgefunden, ohne Fallschirm: mit Kopf, mit Oberkörper und 1 Arm. Wo
die übrigen Körperteile niedergingen, konnte nicht sicher ermittelt
werden. Wahrscheinlich aber ist, dass er etwa 100 m unter der Brücke
in die Lein gestürzt ist, wo man hat einen Gegenstand unter starken
Aufspritzendes Wassers hat hineinfallen sehen.
Dort fand man auch Hosenträger. Der oberhalb der Wiesenumzäunung
v. Adler (b. Dürrenbauer) niedergestürzte
Flugzeugteil gehörte wahrscheinlich zu dem in Holzleuten niedergestürzten
Flugzeug. Der Fallschirmabspringer soll zu dem bei Hohenstadt verbrannten
Flugzeug gehören, von dem er mit seinem Beifahrer im Fallschirm abgesprungen
war. Auf der Straße v. Heuchlingen n. Laubach ging eine Bombe als Blindgänger
in die Straße, verschiedene Bomben fielen in die Wiese. Auf den Felder
Holzleuten zu fand man einige Flugzeugmotoren. In das Dach des Schreiners
Barthle schlug eine 12 mm Gewehrkugel (amerikan. Ursprungs) durch das
Dach und die Decke. 24.
März 1944 - S. 104 Heute
Freitag d. 24.3.44 fand man den fehlenden Körperteil (Füße, Unterleib
u. 1 Arm) des am 16.3.44 hie abgestürzten deutschen Piloten. Er war
also, wie vermutet, in die Lein gefallen und kam am 9. Tage an die Oberfläche.
Am Sa. Morgens 9 °° Uhr wurde er hinter dem Kriegerdendkmal in einer
Kiste in aller Stille in den Boden vergraben. Ob der Mann kath. oder
evangelisch oder ?? war, konnte nicht ermittelt werden. …………………… Skapulierfest am 16. Juli 1944 Auch
in dem zu Ende gehenden 5. Kriegsjahr wird hier das Skapulierfest gefeiert
unter großer Beteiligung von allen, auch beim Sakramentsempfang v. Fr.
b. Montag .………. H.
P.D. Jarus hielt die Festpredigt unter dem Dröhnen und Donnern der von
über uns dahin heulenden feindlichen Bomber. Auch während der Festmesse
jagten sie noch über uns weg. Mit knapper Not konnte die Prozession
stattfinden. …………………. Weitere Luftkämpfe - 21. Juli 1944 -
S. 105 Infolge
Durchflug feindlicher Kampfverbande kam es heute wieder zu Luftkämpfen
in unserer Nähe. Heubach, Böbingen, Iggingen etc Notiz eingefügt: Am wohl ältesten Gebäude
in Heuchlingen, dem Gasthaus z. Adler, war in den beiden Giebelseiten
(bis zum First massiv aus Stein) so baufällig, dass zunächst die Nordostgiebelseite
vom Fundament aus neu erstellt werden musste.
Sonntag
nachmittags um 3°°Uhr wurde bei einem Luftangriff auf einen Personenzug
mit Bordwaffen, bei dem es 5 Tote u. eine Anzahl Verletzte gab, in Gmünd
auch Georg Hägele von Hchl. am Auge leicht verletzt. Immer näher rückt der Feind. Schon steht Russland vor Ostpreußen
und der Engländer und Amerikaner schickt sich an im Westen des Reichs
die Grenze zu überschreiten. Die
letzten Kräfte werden für den Krieg mobil gemacht und schon die Kinder
dafür eingesetzt. 15 jährige müssen einrücken. Alles sehnt sich kriegsmüde
nach dem Ende dieses wahnsinnigen Mordens. Gar viele zittern vor der
Zukunft, im Gedenken dessen, dass die strafende Gerechtigkeit
unnachsichtlich einsetzen wird…… S. 106 – 8.Nov. 1944. Bisher hat der Führer jedes Jahr am Abend
des 8 Nov., dem höchsten u. größten Gedenktag der Partei. zu seinen „Getreuen“ im Bürgerbräukeller
in München gesprochen. Doch dieses Jahr wartete man vergeblich darauf.
Hitler schwieg. Warum? Wusste er nichts zu sagen? Wollte er nichts sagen?
War er gezwungen zu Schweigen, da die Geschehnisse zu deutlich eine
ganz andere Sprache führen, als er bisher gesprochen hat? Muss er nun
schweigen, damit gar bald jene alle wieder offen reden dürfen, die er
bisher zum totalen Schweigen verdammt hatte? Die Tatsachen u. Geschehnisse
des nächsten halben Jahres werden es aller Welt offenbaren Evakuierte auch in Heuchlingen Die
Gemeinde Heuchlingen ist nun, wie viele andere Gemeinden mit Evakuierten
aus den Städten reichlich überfüllt aus Düsseldorf, Duisburg, Essen,
Köln ctc. und Stuttgart. Aber wahrlich, es ist kein erfreuliches Bild,
das sie bieten, kein guter Eindruck, den sie machen, kein guter Geist,
den sie offenbaren. Die allermeisten derselben sind den Bewohnern des
Landes nur ein Ärger u. zum Ärgernis. Die Städte sinken immer mehr in
Schutt u. Asche, deren Bewohner haben ein angstvolles Leben, die einen
enden unter rauchenden Trümmern ihr Leben, andere verbrennen zu unförmlichen
Klumpen, wieder andere ertrinken wie Mäuse im Boden, die einen ersticken,
die anderen werden mit den Häusern zerrissen und man findet keine Spur
mehr von vielen. Feuer und Schwefel oder Phosphor und Benzin regnet
es vom Himmel. Bomben und Granaten heulen mit den sterbenden Menschen
um die Wette. Aber die wenigsten Menschen wollen etwas aus diesem furchtbaren
Zeitgeschehen lernen. Die meisten Evakuierten wollen auch heute noch
ihr bequemes, genussreiches Leben,
erheben den Anspruch, es besser zu haben als alle Leute auf dem Lande
und rufen nach Theater, Kino und Kaffees. Und so gehen viele der Evak.
lieben wieder in die letzten Trümmer ihrer zerstörten Häuser zurück,
wo sie noch gleichgesinnte Vergnügung- und Genussmenschen finden, die
arbeitsscheu einer von dem Schweiß und der Müh der anderen leben wollen.
Die meisten der Evakuierten sind darum auch religiös erkaltet, sittlich
entartet. Das Sodoma u. Gomorrha der Großstädte droht somit aber auch
das Land zu überfallen sie in die Gefahr des Abgrundes und Untergangs
zu bringen. …………………….. |