Das Heuchlinger Fest - eine Chronologie - von den Anfägen hinein ins 21. Jh.

1667: Gründung einer Skapulierbruderschaft in Heuchlingen durch Pfarrer Johannes Streidt.

Die Situation damals: Der 30 jährige Krieg - die Bewohnerzahl von Württemberg sank von 400.000 Personen auf ~ 50 Tausend- war noch keine 20 Jahre beendet.

Die Dorfbevölkerung war völlig verarmt, hungerte - ein Klimawandel verschlimmerte die Lage. Sie suchte ihr Heil verstärkt im Gebet, Fürbitten und noch mehr Frömmigkeit. So errichtete Pfarrer Streidt in einem kurzen Zeitraum noch 2 weitere Bruderschafte, so die vom "heiligsten Sakrament" und als 3. die "Rosenkranzbruderschaft".

1767: Heuchlingen steckt mitten in der feudalen Lehen-Herrschaft. Die Bauern-Anwesen, ob groß oder klein, waren Fallehen. Heuchlingen unterstand der ellwangisch - Fürstbischöflichen Herrschaft, Holzleuten der Herrschaft Gmünder Klöster (bis auf 1 Anwesen- "Strohbauer", das zur Ellw. Herrsch. gehörte). Das Leben war eingeengt in alle Arten von Frohndiensten und den Kampf ums eigene tägliche Brot, sei es als Bauer, Taglöhner oder Handwerker. Die wenige frei Zeit war eingefordert, wie auch streng kontrolliert und überwacht durch kirchliche - u. weltliche Gremien. Die Bürgermeister in jener Zeit - hier Caspar Seele v. Dinkelabühl, 1752 - 1770, ward noch vom Fürstbischof ernannt und hatte in erster Linie dessen Interessen, weltliche wie kirchliche, zu vertreten.

 

1867: Deutschland befindet sich in einem noch nie dagewesenen Umbruch. Die napoleonische Kriege krempelten Europa um. Die Säkularisation erfolgte, das Herzogtum Württemberg ward durch Napoleon zum Königreich erkoren. Alle Klosterbesitzungen fielen an das neue geschaffene Königreich, unsere bisherige ellwangische Herrschaft wurde aufgelöst. Als Neu-Württemberg wurde es Teil des neu geschaffenen Reiches.

Die Neuerungen, die im neu entstandenen Königreich geschaffen wurden, waren umwälzend. 1806: die allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt. 1810 erfolgte die erste Grundschulverordnung -1836 wurde dann die allgemeine Schulpflicht vom 6. bis zum 14 Lebensjahr verordnet. 1817 Abschaffung der Leibeigenschaft. 1828 Abschaffung des Blut- und Heuzehnten und der Frondienste. 1833 wird die beschränkte Heiratserlaubnis aufgelöst (1871 dann vollständig aufgelöst. Zuvor konnte nur heiraten, der eine bestimmte Kapitalsumme aufweisen konnte) 1848 - 1870 erfolgte dann die wohl größte und gravierendste Erneuerung im Land: Übergabe der Lehen in den Eigenbesitz der Bauern, Söldnern und Handwerker.

Streng geregeltes öffentlich-  und privates Leben der Dorfbewohner

Der württembergische König verstand sich als oberster Zuchtmeister, Erzieher und Sittenwächter seiner Untertanen. Er knüpfte wieder an eine alte Familientradition an.

Mit einer Verordnung vom 15.1.1817 führte König Wilhelm I. Sittengerichte auch in den katholischen Landesteilen ein. Fortan musste auch in Heuchlingen monatlich der sogenannte "Kirchen- Convent" zusammentreten. Das Dorfleben unterlag jetzt den strengen stattlichen Regeln -und damit auch der jeweiligen Dorfpfarrer- zusammen mit Vertretern der Gemeinde. Diese Konvente, vertreten durch den Ortspfarrer und 5-6 ehrenhaften Männern der Gemeinde, hatten die Pflicht, alle 4 Wochen über die Zustände- vor allem der Mängel und allerlei Fehlverhalten in der Gemeinde zu beraten und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So wurde Fehlverhalten, z.B. Wirtshausbesuche während des Gottesdienst, lauter Gesang in der Nacht, Tanzveranstaltungen, Männerbesuche in den Spinnstuben - oder gar in Mädchenkammern, und vieles mehr bei diesen Konventen besprochen und die Missetäter vor den Konvent geladen und gemaßregelt - oder auch bestraft. Nicht selten wurde das Fehlverhalten von der Kanzel herab deutlich benannt- auch die Namen der Missetäter.

Int. hierzu angemerkt: die Gemeindebürger waren zu jener Zeit angewiesen, auf allerlei Verstöße gegen die Ordnung Acht zu geben und solche der Gemeinde oder dem Kirchenkonvent zu melden. Die meldenden Personen wurden gelobt und mit einem kleinen Geldbetrag belohnt.

Man kann sich nun leicht vorstellen, dass das Heuchlinger-Fest in jener Zeit wohl in derselben- oder gar größeren Pracht und Umfang stattgefunden hat, wie in all den 200 Jahren davor. Hinzugekommen waren jetzt noch ein 4-stimmiger Chorgesang, z. Tl. mit Orchester, Blasmusik voraus der Prozession, Böllerschießen und mehr - wie Eintragungen in den Kirchenbüchern zeigen.


1950 (1967): Eine Situation ähnlich der vor 300 Jahren.

Der 2. Weltkrieg war nur wenige Jahre vorüber, das Land und die Städte teiweise noch zerstört, die Bevölkerung demoralisiert. Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen aus vielen ehemaligen deutschen und deutschsprachigen Regionen hatten die Dörfer und Städte überflutet. Die Wohnverhältnisse für die hereinströmenden Menschen waren lange Zeit katastrophal. In den Schulen musste für die Schüler Essen ausgeteilt werden. (Hooverspeisung: Der frühere amerikanische Präsident Herbert Hoover, der während des Crash von 1929 regierte, reiste nach dem Zweiten Weltkrieg in das zerstörte Deutschland und organisierte die nach ihm benannte, "Hoover-Speisung", durch die möglichst jeder Schüler in der amerikanischen Zone in der Schule eine Mahlzeit bekam - in der engl. Militärzone wurden ähnliche Hilfsaktionen durchgeführt - "Schwedenspeisung" )


In diesen 1950er-Jahren und danach
, beflügelt auch durch den Bau von dringend erforderlichem Wohnraum, begann dann ein beispielloser wirtschaftlicher Aufstieg, vor allem im Westen des nun geteilten Deutschlands. Schnell gab es Arbeit für Jeden. Gastarbeiter wurden angeworben. Die Lohnzuwächse stiegen im oberen einstelligen Bereich. Urlaub im Ausland - Österreich und Italien für Jedermann wurde möglich. Der Ortsgeistliche klagte dann auch schon früh über den Vergnügungs- und Lebenshunger in der Bevölkerung und den Rückkgang der Teilnahme am kirchlichen Leben.

Trotz alledem. Das Skapulierfest in Heuchlingen in jener Zeit wurde immer noch mit großem Prunk und großer Teilnahme gefeiert. Die große Zahl der Heimatvertriebenen im Ort hatte sich integriert und nahm in vollem Umfang daran teil. Die Zahl der auswärtigen Festteilnehmer war immer noch groß, sodass die 4 Gasthäuser im Ort - ja diese gab es- ein volles Haus zum Mittagstisch verzeichnen konnten.

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Und 2017 - ein weiterer Quantensprung.
In Heuchlingen gibt es, bis auf einen Kleinlandwirt, keine Bauern mehr - mit Ausnahme der Teilorte Holzleuten, Mäderhof und Brackwang. Immer mehr Baugebiet muss erschlossen werden, Schule und Sportanlagen werden ausgebaut. Kinder, junge Leute und Erwachsene mit dem Handy vor dem Gesicht sieht man des Weges gehen- auch junge Mütter mit dem Kind an der Hand. Dabei steht dieses "Digitalisierung" genannte Phänomen erst am Beginn.
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Das Heuchlinger Fest heute.
Der starke Zulauf an Besucher zum Skapulierfest hat mittlerweile natürlich stark nachgelassen. Nur noch vereinzelt lassen sich ältere Besucher aus den Nachbargemeinden ausmachen. Auch alte Heuchlinger Gesichter aus dem nahen oder ferneren Umland sieht man immer weniger. (werden älter, weniger, die Jüngeren werden weniger und ziehen immer weiter weg) So sind auch die Zeiten, dass 2, 3 oder mehr Pfarrer dem "Heuchlinger Fest" beiwohnten, vorbei. (Priestermangel) Aber es ist immer noch so, dass die Pfarrkirche die Besucher nicht fassen kann und ein Teil derselben die Messe nur über Lautsprecher im Freien mitfeiern kann.


Zeitenwandel - Zeichen - s. hier Erklärungsversuche an anderer Stelle.

 

rechech. 2017 (2018/19)  -a. m.