Bild: Zeitgenössische Darstellung (Holzschnitt)
der Hinrichtung des Mörders August Hahn in Böblingen 1819. (StadtA Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu
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Sind der wenigen konnte die Stadt schon Ansichten unserer Stadt Böblingen aus
der Zeit vor dem Aufkommen derPhotographie
verhältnismäßig selten, so sind Darstellungen historischer Vorgänge
aus der Stadtgeschichte so gut wie nicht vorhanden. Eine erwerben.
Wahrscheinlich handelt es sich um einen Holzschnitt, der aus einem
Buch herausgeschnitten wurde; vielleicht ist es aber auch ein
Flugblatt in Form eines Einblatt-Druckes. Der Gegenstand ist schauerlich
genug: Das Bild zeigt eine Hinrichtung aus dem Jahr 1819, wahrscheinlich
die letzte oder doch eine der letzten, die in Böblingen stattgefunden
hat. Die Unterschrift lautet: „Darstellung des in Böblingen den
12. Aug. 1819 mit dem Rade hingerichteten Vater-Mörders August
Hahn’s 20 Jahr alt, dessen Kopf,
nachdem Friedr. Waldenmaier
dessen Schwager im 26ten Jahre, zuvor mit dem Schwerde
hingerichtet, gleichfalls auf den Spies gestekt,
und des Ersteren Leichnam auf das Rad geflochten wurde“.
Scharfrichter und Kleemeister
Die Scharfrichter,
welche die noch verhältnismäßig seltenen Hinrichtungen auszuführen
hatten, kamen von auswärts; zu einer gewissen Zeit scheint je
einer in Stuttgart (für das Land unter der Steig) und in Tübingen
(ob der Steig) ansässig gewesen zu sein. Die Vertreter dieses
hochnotpeinlichen Strafamts wurden aber in der Regel aus den Reihen
der Klee- oder Wasenmeister genommen, die wie jene durch ihre
Beschäftigung von der übrigen Bevölkerung mehr oder weniger abgeschlossen
waren und im Mittelalter als unehrlich galten. Daher haben sie,
wie wir noch sehen werden, auch immer unter sich geheiratet.
Bild: Das Anwesen des Böblinger Kleemeisters
(Abdecker), hier als „freyhaus“ bezeichnet,
auf der Kieser`schen Forstkarte von
1680/88. (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart)
Die
Kleemeisterei war ein herzogliches Bannrecht. Nur wem es verliehen war,
durfte die entsprechenden Geschäfte ausüben; er hatte nämlich das gefallene
Vieh in seinem Bezirk abzuholen (ähnlich wie heute die
Tierkörperbeseitigungsanstalten) und zu vergraben. In Böblingen lag die
Kleemeisterei außerhalb des Städtleins auf dem
Spielberg.
Wer in Böblingen vor dem Dreißigjährigen Krieg das Amt des Schinders oder
Abdeckers versah, ist mir bisher nicht bekannt. Reipchius
berichtet in seiner Chronik zum Jahr 1564, dass „der Rot Wasenmeister zu
Böblingen“, weil er Vieh und Schweine vergiftet habe, zu Tübingen „mit
glühenden Zangen dreimal geklemmt, gehenkt und verbrannt“ wurde. Schon
wenige Tage später hat „der alte Zeberl“ (wohl
der Vater des Darmsheimer Pfarrers) „die
Wasenmeisterin zum Weib genommen“ und drei Wochen später mit ihr Hochzeit
gehalten. Diese Notizen zeigen deutlich die Sonderstellung der genannten
Personen; es ist etwas ganz Ungewöhnliches, dass ein angesehener Bürger,
der seinen Sohn Pfarrer werden lässt, die Wasenmeisterin heiratet, noch
dazu unmittelbar nach der so schmählichen Hinrichtung ihres Mannes.
Familientradition: Die Böblinger Kleemeisterfamilie Bayer/Bauernfeind
Von 1640 ab können wir in den Kirchenbüchern den Personenkreis deutlich
verfolgen, der die Kleemeisterei in Böblingen inne hatte. In diesem Jahr
stirbt der Kleemeister Albrecht Bauer, und seine Witwe heiratet bald darauf
den Johann Bauernfeind (offenbar ein richtiger Scharfrichtername!) aus
Nördlingen, der bis 1684 als Kleemeister genannt wird; nach dem Tod seiner
ersten Frau heiratet er 1677 die Witwe des Kleemeisters Hans Deubel (Teufel!) aus der nordbadischen Stadt Eppingen. Auch bei den zahlreichen Kindern Bauernfeind
können wir, soweit dies hier verzeichnet ist, wieder „standesgemäße“
Eheschließungen feststellen: Hans Georg heiratet 1662 die Tochter des
verstorbenen Scharfrichters Hans Knapp in Wiesensteig, Anna Barbara wird
1669 die Frau des Wildberger Wasenmeisters Hans Jakob Deigendäsch,
Hans Peter heiratet 1668 die Witwe Katharina des Balinger
Kleemeisters Jacob Deigendäsch und wird selber
als Kleemeister bezeichnet. In Wirklichkeit und auf die Dauer scheint aber
sein Bruder Conrad Bauernfeind (1658 - 1739) dieses Amt ausgeübt
zu haben; seine zweite Frau ist die Tochter des Kleemeisters aus Reichertshausen in der Kurpfalz. Dorther kommt auch ihr
Schwiegersohn Joh. Georg Bayer (1702 - 68), der dann die Kleemeisterei
weiterbetreibt, während eine Schwester seiner Frau den verwitweten
Kleemeister Joh. Christof Günther in Alfdorf zum Mann nimmt. ... Der ledige
Sohn Johannes Bayer (1735 - 61) ist „adjungierter
Scharfrichter“.
Bild: Die Böblinger Kleemeister lag
außerhalb der Stadt auf dem Spielberg. Früher kannten Alteingesessene das
Haus an der Brunnenstraße noch unter dem Namen der dort lange sesshaften
Familie als „Baier-Haus“. Es wurde nach dem Krieg abgerissen. (Foto aus
Erich Kläger: Tatort Böblingen – anno dazumal, Böblingen 2003, S. 77)
Von
den sechs zur Eheschließung kommenden Kindern der Ehe Bayer/Bauernfeind
heiratet Maria Tabitha (1742 - 1805) den Böblinger Metzger Joh. Philipp
Knoll, während alle ihre Schwestern und ihr Bruder innerhalb ihres Standes
bleiben: Christina Katharina (geb. 1725) wird 1743 die Frau des Grötzinger Kleemeisters Joh. Michael Gentner (seine Familie hatte schon 1536 die
Kleemeisterei dort inne und bis zu deren Abgang im 19. Jahrhundert),
Kunigunde heiratet 1751 den Kleemeister Joh. Graser in Stein bei Pforzheim,
Sophie im Jahr 1751 den Nagolder Kleemeister Johann Bechthold
und schließlich Regina im Jahr 1756 den Kleemeister von Neckarrems Peter
Carle. Joh. Gottfried Bayer aber, der in Böblingen nachfolgende Sohn, hatte
mit 18 Jahren die Tochter des Reutlinger Scharfrichters Johannes Vollmar
geheiratet. ... Nach ihrem Tod mit 40 Jahren holte er sich eine
Herrenberger Bürgerstochter Ruthardt zur Frau.
Nun nähern wir uns aber auch schon dem Ende der Einrichtung der
Kleemeisterei. Zwei seiner Töchter heiraten wieder Böblinger Handwerker,
und nur der Sohn Wilhelm Gottlieb Baier (1786 - 1844), mit einer Kurz aus
Böblingen kinderlos verheiratet, wird noch als Kleemeister geführt. Dagegen
ist sein Bruder Ludwig Karl Bauer (1797 - 1841) „Spinner“, also offenbar
Fabrikarbeiter; er ist der Vater des Schuhmachers Gottlieb Ludwig Baier
(1834 - 1920), der von seiner Frau Gottliebin
Mathilde Reinhardt (1836 – 96) sieben erwachsene Kinder hatte, wovon aber
mehrere ledig waren. So ist mit dem Schuster Gustav Adolf Baier (1863 –
1941), ..., und mit seinen Geschwistern Robert (1876 – 1943) und Mathilde
(1869 – 1945) dieses Geschlecht und sein Name in Böblingen ausgestorben,
nachdem es über 200 Jahre hier geblüht hatte.
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