Bildung in Württemberg und die Schulverhältmisse im 19. Jh.
und
davor-
aus lokalen Quellen und div. Web-Beiträgen dargestellt.

Die Einführung der kostenlosen evangelischen Klosterschulen 1556 unter Herzog Christoph - vor also nunmehr fast 460 Jahren - bleibt eine Großtat in der europä- ischen Schulgeschichte
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Um 1500 stand es schlecht bestellt um die Bildung im darstellgBereich des heutigen Württemberg. Im Herzogtum ebenso, wie bei seinen Nachbarn, auch den geistlichen Territorien, von den ritterschaftlichen Gebieten ganz zu schweigen - trotz Lichtblicken wie der Gründung der Universität Tübingen 1477 oder den Lateinschulen in einigen Reichsstädten.

Kenntnisse über die Schulentwicklung in den katholischen Herrschaftsgebieten, z.B. für das Gebiet der Fürstpropstei Ellwangen, liegen nicht vor - jedoch aber für das Öttinger-Wallersteinische Gebiet, insbesonders für das Gebiet der Reichsabtei Neresheim, deren Schulwesen (Landschule -dann Normalschule) im letzten Viertel des 18. Jh. als fortschrittlich und beispielgebend geprießen wurde.

Die Situation der Schulbildung vor 1764 beschreibt Norbet Bayrie -Sick in seinem Bericht "Das Schulwesen im Reichsstift Neres 1764 - 1806" so:
Vor dem Jahr 1764 war der Unterricht in der Reichsstift- Neresheimischen Gegend sehr mangelhaft. Das ganze Schulwesen wurde allein dem Volk, dem Schulmeister und Pfarrer überlassen. Ein jeder schickte seine Kinder zum Unterricht wann und wie er wollte. Jeder Schulmeister lehrte, was und wie er gelehrt worden war, d.h. so schlecht, dass selbst in den ansehnlichsten Orten die allerwenigsten mit Anstand lesen konnten.


Hierzu ein Situationsbericht aus einer Schulvisitation, notiert
1791:
Wegen der großen Schülerzahl ind Ebnat wurde dem dortigen Schullehrer ein Mauer-macher (Maurer) als Schuldiener zur Seite gestellt. Um 1800 war wohlgemerkt noch nicht einmal die Hälfte der Lehrerschaft als solche ausgebildet und rekrutierte sich sich häufig aus ehemaligen Handwerkern und Soldaten.


Eine andere Zustandsbeschreibung aus der Zeit um 1800 lautet:
Von 1327 deutschen Schulen hatten nur 900 eigene Schulstuben und von denen waren die meisten in einem erbärmlichen Zustand. In 400 Schulen wurde der Unterricht teils in Wohnstuben der Schulmeister und Bauern, im Rathaus, im Hirtenhaus oder anderen Lokalen gehalten.

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"Die Schulen des 18. Jahrhunderts" - aus einem Google -Beitrag.
Gelehrt wurde:

das ABC
nach der Methode: „a“, „b“ = „ab“. Oft wurde dies im Chor geübt, einfaches Lesen und Schreiben, Christenlehre, d.h. Psalmen und Gesangsbuchverse auswendig lernen, Lesen aus dem Katechismus oder der Bibel.
Die einfachen Formen des Rechnens (jedoch nicht überall), Brüche waren unbekannt.
Das Rechnen bereitete auch dem Lehrer großes Kopfzerbrechen. So erklärten z.B. viele Schullehrer, sie wollten lieber ihren Dienst aufgeben, als in Württemberg zu unterrichten. Hier wurde nämlich das Rechnen um 1780 in allen Schulen zur Pflicht. Nicht nur deshalb galten die Schulen im Herzogtum Württemberg zu den besten im Reich.

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Die Situation der Lehrer um die Wende zum 19 Jh. In einem königlichen Erlass zur allgemeinen Schulordnung in den katholischen Elementarschulen von 1808:
.. dass in allen Orten des Königreichs nicht nur im Winter sondern auch im Sommer, für die größere Jugend auch an Sonntagen Schule gehalten werden muss und dass auch das Schulgeld damit im Verhältnis stehe.

Das Schulgeld soll nach seine Totalsumme den Lehrern von Quartal zu Quartal durch den Bürgermeister ausgehändigt werden.
Desgleichen soll dem Lehrer nicht wie bisher üblich, das Holz scheitweise von den Kindern gebracht werden, sondern es soll ihm unentgeltlich von der Gd. auf einmal abgegeben und zugeführt werden.
Ebenso sollen die Naturalien an Brot, Mehl, Eiern usw. dem Lehrer nach einem mittleren Anschlag an Geld gegeben werden, da es unschicklich ist, dass der Lehrer seinen Verdienst von jedem einzeln erbetteln muss, teils weil manche Landleute meinen, ihr Beitrag an den genannten Naturalien für den Lehrer sei ein bloßes Geschenk, welches sie teilweise in sehr schlechter Qualität geben oder gar dem Lehrer öfters vorenthalten ..... ... ..... usw. --- Qu.."Wttbg. Landesgeschichte - XV- Jahrg. 1956, 1. Heft.

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Einschulung und Schulpflicht im 19. Jahrhundert.
Das Schulgesetz von 1836 legte die Schulpflicht vom 6. bis zum 14. Lebensjahr fest. Die Kinder wurden an Martini (11. November), Tag des Winterbeginns, eingeschult. Bis ins 19. Jahrh. besuchten viele Kinder nur Winters die Schule, Sommers mussten sie ihren Eltern in der Landwirtschaft helfen. Nach Einführung des ganzjährigen Unterricht zu Beginn des 19. Jh., beschwerten sich viele Eltern wegen der Überforderung ihrer 6 jährigen Kinder bei einsetzendem Winter- diese waren teilw. sehr streng und schneereich- und den teilweise sehr langen und damit beschwerlichen Schulwegen. Stichwort: Laubach, Brackwang, Birkhof, Holzleuten, Mäderhof u.a.

Sonntagsschule.
Die württembergische Generalschulverordnung von 1810 bestimmt: " Die Sonntagsschulen haben den Zweck, das in der Volksschule erlernte durch Übung zu erhalten und die Fortbildung der erwachsenen Jugen zu befördern. Dem Schulmeister ist es zur Pflicht gemacht, in der Regel nach dem öffentlichen Gottesdienst die schulentlassenen Jugend bis zum vollendeten 18. Jahr eine volle Stunde zu unterweisen. Traditioneller Lehrstof war bis 1820: Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen. Jetzt (1820) kamen noch allgem. Bürger - u. Untertanenpflichten, später noch allerlei Nützliches, Obstbaumveredlung, Felddüngung , technisches Zeichenen u.a. hinzu. So entwickelte sich die Sonntagsschule zur Sonntagsgewerbeschule und die Winterabendschule schließlich zur Berufsschule.

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Lehrerausbildung und Anstellung im Königreich Württemberg.

Im Volksschulgesetz von 1836 wurden die bis dahin sehr unterschiedlichen schulischen Rechtsverhältnisse vereinheitlicht. Für die Lehrerausbildung wurden staatliche Lehrerseminare vorgeschrieben. Deren Ausbildungskapazitäten reichten jedoch nicht aus. Darum wurden weiterhin viele Lehrer von lizensierten Schulmeistern oder in Privatseminaren ausgebildet.

Ausbildung und Werdegang eines Schullehrers/Schulmeisters.

  • Der Aspirant: Bewerber für die Ausbildung zum Volksschullehrer.
  • Präparand: Volksschüler, der sich bei einem Pfarrer auf die Aufnahmeprüfung in ein staatl. (od. priv.) Volksschule - Lehrerseminar vorbereitet. -Regeldauer: zwei Jahre.
  • Seminarist: Auszubildender an einem Volksschullehrerseminar: Staatliche Seminare: Esslingen, Nürtingen und Schwäbisch Gmünd;
    Private Seminare, meist von einem Pfarrer haupt- oder nebenamtlich geleitet und von einem erfahrenen Schulmeistern unterstützt, gab es an rund 20 Orten im Land.
  • Inzipient: Lehrling bei einem Schulmeister (ab 1836 war dafür eine Ausbilderlizenz des betr. Schulmeisters erforderlich)
  • Provisor: Examinierter, aber nur provisorisch (nicht ständig) angestellter Volksschullehrer, der unter Aufsicht eines Schulmeisters seine ersten Lehrjahre verbringt. Nach Bewährung im Schuldienst musste er eine Anstellungsprüfung ablegen, um fest angestellt zu werden.
    Ausbildungsdauer: Präparand- Seminarist bis Provisor ~ 5 J.
  • Die Anstellung als Provisor konnte bis zu 6 Jahren dauern.
    Diese Provisorenzeit war streng geregelt und überwacht. Hier 3 Auszüge aus einer Verordnung d. K. kath. Kirchenrats v. Aug. 1824:
  • Jeder Provisor muß einem Schulmeister untergeordnet sein. Dieser hat die Besoldung desselben zu empfangen, und dem Provisor Kost, Bett, Wasch- und Licht, (i.d. Regel in dessen Wohnung) nebst einer nach den geforderten Dienstleistungen zu verabredenden Geld-Besoldung abzureichen.
  • Da ein nicht unbedeutender Teil der Schullehrerbesoldung von der verständigen u. fleißigen Betreibung des des Feld- u. Gartenbaues herrührt, so erwartet man,daß der Provisor, besonders auf dem Lande, ihrem Schullehrer auch bei den anständigen Feldgeschäften freiwillig entgegenkommen werden, um sich an Geschäfte zu gewöhnen, ohne welche die Schuldienste auf dem Land eine Familie nur kümmerlich ernähren.
  • Inspektoren und Pfarrer sollen den Provisoren nur sparsam u. nach Benehmen des Schulmeisters Urlaub bewilligen. Ein solcher kann nur in der Herbstvakanz für einige Tage zum Besuch ihrer Eltern, oder Verwandten, od. einer nützlichen Reise erteilt werden.
  • Unterlehrer: Fest angestellter, aber noch nicht zum Schulmeister gewählter oder ernannter Volksschullehrer.
    Nicht fest angestellte Lehrer wurden häufig auch mit dem Zusatz: "unbeständiger Lehrer" bezeichnet. Nicht selten wurden diese Lehrer dann - fast über Nacht, in andere - oft weit entfernte, Schulorte versetzt.

  • Schulmeister: Fest angestellter, von der Schulgemeinde gewählter und von der Kultusbehörde bestätigter (erster und bei einklassigen Dorfschulen auch einziger) Lehrer einer Volksschule.
  • Bezirksschulinspektor: Geistlicher, im Auftrag des Dekans für die Schulen des Dekanatsbezirks verantwortlich.

Fachbegriffe:

Bleistifte: 1662 in Nürnberg von Staedtler, später auch von Faber hergestellt.
1847 der Bleistiftspitzer mit schräg stehendem Messerchen.

Heiligenpfleger: Alte Bezeichnung für Kirchenpfleger, der das dem " Heiligen" (der Kirche) gehörende Vermögen (Grundstücke, Darlehen, Zehntabgaben u.a.) verwaltete. In vielen Gemeinden war nicht der Pfarrer, sondern ein Gemeindemitglied mit dieser Aufgabe betraut.

Kirchenkonvent: Eine Art Sittengericht, das meistens aus dem Pfarrer, dem Schultheißen, dem Heligenpfleger und 2 gewählten Gemeindemitglieder bestand, und regelmäßig, mind. einmal im Monat zusammentrat. Der K. Konvent überwachte die Kirchenzucht und den Lebenswandel der Bevölkerung und konnte Strafen verhängen. Die heimlichen Angeber, oder Heimbringer, bekamen für ihre Meldungen an den K. K. ihren Anteil an der Strafe, das sogen. Anbringdrittel, wenn eine Geldstrafe fällig wurde.

Martini: 11. November, Tag des Winterbeginns. Der wichtigste Tag im Bauernkalender, der sogenannte Zahl- u. Ziehtag, an dem Zahlungen fällig waren und Dienstboten wechselten.

Pausen: Pausen zwischen den Schulstunden waren urspr. nicht vorgesehen. Erst i. d. 2. Hälfte des 19. Jh. genehmigten die Ortspfarrer, die zugleich die V. Schulen leiteten, mancherorts nach 2 Vormittagsstunden eine 10 bis fünfzehnminütige Pause. (Interstitium)

Schreibfeder: Zunächst aus dem Kiel einer Vogelfeder (meist Gänsefeder) mit Hilfe eines spez. Federmessers geschnitten. Stahlfedern wurden in England seit 1830 maschinell hergestellt und um 1840 auch in Deutschland eingeführt. 1842 wurden in Europa bereits über 70 Millionen Stahlfedern produziert. 1852 entstand in Berlin die erste Stahlfederfabrik Deutschlands.

Schreibtafel: Im 18. Jahrh. kamen Schiefertafeln in Holzrahmen in Gebrauch, die man mit einem Griffel beschreiben musste. Die Herstellung erfolgte zunächst in Handarbeit. 1860 entstand die erste deutsche Tafelfabrik im oberfränkischen Geroldsgrün.

Schulhefte: Armut und geringes Bildungsinteresse mancher Eltern erschwerten die Versorgung mit den notwendigen Unterrichts- und Lernmitteln An den Volksschulen musste lange mit einfachem und billigem Unterrichtsmaterial gearbeitet werden. Deshalb war dort die Schiefertafel das wichtigste Schreibgerät.

 
Die Realität: Einen Eindruck von der Realität zeigt die Autobiographie des Lehrers Friedrich Polack, die sich auf die Zeit um 1840 bezieht: "Zum Schreiben in Schreibbüchern war kein Platz in der Schule. Nur immer einige Kinder malten die vom Lehrer ausgegebenen Schriftmuster nach. Viele hatten keine Hefte. Auch für meinen wohlhabenden Vater war es eine schwerere Sache ein Schreibebuch als einen Acker Land zu kaufen. In die alten beschmierten Buchdeckel heftete er immer aufs neue billiges gelbes Papier."- Aus Google-

Schulgeld: Im Königreich Wttb. betrug das Schulgeld für jeden Volksschüler, je n. Gemeindegröße, zwischen 48 und 90 Kreuzer im Halbjahr (etwa zwei bis drei Tageslöhne eines Taglöhners)

Tinte: Wurde vom Lehrer selbst hergestellt, z.B. aus 6 Lot (1L. = 16,6 g) Galläpfel u. 2 Lot Vitriol mit einem Maß (=1,84 lt.) Wein, oder Obstessig aufkochen, dann 2 Lot gestoßenen arabischen Gummi einrühren; abkühlen u. i. verschlossener Glasflasche aufbewahren.

Qu.: "Der Dorfschulmeister“, historischer Roman aus Württemberg, von Gerd Friederich, und. Pfararchiv Hchl. Kart.28, Mp 025 und 026.
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