
August
Ilg - der Glocken Gust.
"Die
gröschte und schwerschte
Glocke steht im Kremel, in Moskau. Sie ischt 6 1/2 mtr. hoch und 200
Tonnen schwer, und in nn .. gestimmt. -- Sie kann nicht geläutet werden, da
sie für einen Glockenturm zu schwer ischt."
So, oder ähnlich, klang es, wenn August Ilg bei seinen Besuchsrunden
im Dorf, oder bei entsprechenden Fragen, seine Kenntnisse zum Besten gab.
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Kindheit
August Ilg ist 1906 in Heuchlingen, im Haus "Schuamichele"
geboren und aufgewachsen. Er hatte noch 1 ältere Schwester und 4 jüngere
Brüder. August war 5 Jahre alt, als 1911 der Vater starb. Seine Mutter heiratetet in 2. Ehe den Josef Faul. Daraus gingen weitere
7 Geschwister hervor.
Nun war die Zahl der Esser natürlich groß. So wurden die Kinder schon in
jungen Jahren an Bauern oder Haushalte zu kleineren Arbeiten und
Dienstleistungen weg gegeben. Das war damals ganz allgemein der Brauch. Die
Lasten in den Fam. wurden so etwas abgemildert und
auf verschiedene Schultern verteilt. So geschah es dann auch mit August.
Seine erste Arbeitsstelle war die eines Hütebuben und
Kleinknechts, gleich nebenan bei seinem Nachbarn, dem Lauchbauer. "August
du Kerl du", waren die geflügelten Worte des Altbauern, wenn Gust
nicht so richtig spurte oder beim Vespern einen besonderen Fleiß an den Tag
legte. Weitere Arbeitsstellen folgten.
Bereits in dieser frühen Zeit
zeichnete sich bei Gust ein großer Heißhunger ab, August wurde nie satt.
Nicht selten mußte der Bauer mit seinem Löffel
einen leichten Schlag auf August`s Löffel oder
Finger geben, wenn dieser allzu eilfertig in die gemeinsame Schüssel Zugriff
nahm.
.... ..
Jugendjahre
August
wurde älter, somit allmählich Jungknecht und schließlich Bauernknecht auf
verschiedenen Anwesen in der Umgebung wie:
< Zeirenhof
in Schechingen < Wiedmannhof
in Hermannsfeld < Weihbauer in Leinweiler <
Lusthof b. Reichenbach, < Frei auf dem Mäderhof und andere
mehr.
Auf all diesen Anwesen zeichnete sich August nicht so sehr durch sein Mittun
und seinen Arbeitseifer aus, vielmehr auch hier durch seinen nicht zu
stillenden Hunger. Doch davon an anderer Stelle.
....
Sein Wandertrieb.
August Ilg hielt nicht allzuviel von seinen Bauern. Sie waren für ihn wohl in
erster Linie Ausbeuter. Als ein gegenseitiges Geben und Nehmen sah er seine
Arbeit bei Denselben nicht. So nahm sich Gust häufige Auszeiten. Meist dann,
wenn die Arbeitsspitzen der Ernten herankamen, ging Gust auf Reisen.
Am Anfang zu Fuß in nähere
und entfernte Orte in ganz Deutschland.
Sehr früh schon lernte er Städte wie München, Köln, Erfurt, Berlin
u.a. kennen. Ebenso bekannte Klöster, Wallfahrtsorte, Kathedralen und
Kirchen. So besuchte er viele male die Wieskirche, Vierzehnheiligen, Altöting, um nur einige zu nennen.
Später dehnten sich diese Reisen
dann auf ganz Europa aus. Immer aber mußten es außergewöhnliche
und berühmte Orte sein. Trotzdem liegen seine Mannjahre in
den 20er - u. 30er Jahren weitgehend im Dunkeln. Aus seinen Erzählungen
weiß man aber, daß er wohl schon in dieser
Zeit die meisten Hauptstädte und Sehenswürdigkeiten in ganz Europa
bereist hat. So seien genannt: Moskau, Petersburg, mehrere
male Rom, Jerusalem, Lourdes, Fatitima, Paris, Palermo,
das Heilige Land, Griechenland und die Türkei. Ebenso Ägypten
mit den Pyramiden. -----
Siehe
hierzu auch
den Nachruf zu seinem Tod. Hierin finden sich Ausschnittte aus seinen
Erzählungen, welche er 1982 im oben erwähnten Bildband "Wir"
von Karl Weller wiedergegeben hat.
Bei diesen Reisen zeichneten sich auch schon seine besonderen Interessen
und Vorlieben ab, aber auch ein außergewöhnliches Gedächtnis-
besonders für das Merken von Daten und Fakten.
....................
Interessenschwerpunkte bilden sich aus
Kirchenmusik
August Ilg besuchte schon früh berühmte Orgel - und Chorkonzerte. So war er
wohl über 30 mal in Ottobeuren.
Ottobeuren war damals berühmt und international
bekannt für seine Kirchenmusik. Große Konzertwerke und Meister kamen hier zur
Aufführung.
So besaß August schließlich zahlreiche
Langspielplatten mit bekannten Chormessen und Orgelwerken. Insbesonders Werke von "Bruckner" hatten es ihm
angetan. An manchen schönen Sommer - Sonntagmorgen schallten Messgesänge aus seiner Kammer.
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Kirchenbauwerke
Hinzu kam jetzt eine große Leidenschaft für Kirchenbauwerke und Baustile.
Geradezu euphorisch sprach er über die Wieskirche,
die er viele male besuchte. Vielen Heuchlinger
Bürgern klingt es noch in den Ohren: " Die Wieskirche ischt die schönschte und gröschte Dorfkirche der Welt. Ihre Freschken
wurden geschaffen von..... , der Altar ischt
von ...." u.s.w. Ähnlich berichtete er von der Peterskirche in Rom, dem Kölner -
oder Erfurter Dom und anderen Kirchenbauten.
.
Glocken
Bald
gesellte sich noch ein weiteres Interesse hinzu. Das Interesse für die
Glocken berühmter Kirchenbauten. Gust hat wohl keine dieser Dome und
Kathedralen besucht, von denen er die Glockendaten, wie Gewicht, das Gießjahr, oder die Stimmung, nicht kannte.
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Krieg und Lazarett
August Ilg mußte trotz seines
fortgeschrittenen Alters in den Krieg. In Rußland
verlor er dabei ein Bein. Längere Zeit verbrachte er daraufhin in
verschiedenen Lazaretten. Durch Zufall traf er dabei auch auf einen
Heuchlinger, auf Hermann Stegmaier. Beide lagen lange Wochen in Gmünd und in
Göppingen. Allein im letzteren waren 12000 verwundete Soldaten
untergebracht.
August der Erzähler im Lazarett
Hermann weiß zu berichten:
Gust war in den Verwundetensäälen allzugut bekannt. Endlos erzählte er von seinen Reisen
und Erlebnissen, von Kirchen und von Glocken.
August: " Die Wieskirche ist die schönschte und gröschte
....", oder, " In Moskau steht die gröschste
und schwerschte Glocke der Welt und kann nicht
geläutet werden. ...... "
Kameraden: "August halt den Mund, wir wollen schlafen" -
Ruhe kehrte ein.
Nach einer Weile, einige der kranken Insassen konnten wohl doch nicht
schlafen: " August laß die Glocken
läuten" - und das Ganze ging wieder von vorne los.
........
August der Zyniker
August war bereits bei seinen
Lazarettaufenthalten als großer Spötter bekannt. So betitelte er Ärzte und
Pflegepersonal, aber auch Mitinsassen, gern mit bekannten Ruf und Spottnamen
aus seiner Heuchlinger Heimat. So sprach z.B. von der "Mädlesbäure", der "Karleskätter",
oder vom alten "Donnesfranz" oder "Basille", wenn er auf Personen Bezug nahm. Diese
Namen machten alsbald die Runde. Jeder im Saal wußte,
wer gemeint war, wenn er z.B. gefragt wurde, welcher Arzt denn bei der Visite
dabei war, oder wer was angeordnet hatte. Ärzte und Schwestern hielten Gust deshalb
für nicht ganz richtig im Kopf
.
........
.Zum Bild:
August auf dem Weg ins Dorf.
Im Hintergund : Architekt Weimer. (in 1974)
.
Nachkriegsjahre
Nach dem Bau der "Kleiderfabrik Holstein, konnte August als Kriegsversehrter
dort Arbeit finden. Im Zuschneidesaal machte
er Aufräumarbeiten - und Kehrdienste. Auch hier benannte er Personen,
die ihm nicht so genehm waren, mit seinen bekannten Pseudo - Namen.
Der Verdienst beim Holstein wird nicht allzu üppig gewesen sein. Gust
lebte jedoch sehr sparsam und unterhielt sich auch auf "der Weide",
wenn er z.B. die verschiedenen Häuser aufsuchte, seine Geschichten
zum Besten gab und dafür reichlich Most und wohl auch etwas Vesper
für ihn absprang.
Zu Hause wurde
er von seinen Halbschwestern mitversorgt.
Als starker Raucher drehte August seine Zigaretten selbt.
Die Kippen zerbröselte er in seine Kitteltasche, oder in den Tabaksbeutel.
Aus dessen Resten wurden dann wieder "Neue". Auf diese Weise
füllte sich dann auch allmählich wieder die Reisekasse von August
Ilg.
......................
Reisen
in der Nachkriegszeit.
Bald schon trieb es Gust
wieder in die Ferne. Dabei reiste er in der Regel per Anhalter. In
den Anfangsjahren schnallte er dazu die Beinprothese ab und hob als
Winkzeichen seine Krücken in die Höhe. Meist
hatte er dabei Erfolg und wurde mitgenommen.
Wenn immer es möglich war, suchte
er für seine Übernachtungen Pfarrhäuser und Klöster auf.
Reiseziele waren Anfangs wieder die
ihm bekannten Metropolen und Städte, Klöster und Kirchen.
...
Doch
Gust wollte mehr.
Weltreisen.
Über die Reisen von August Ilg sind keine Aufschriebe vorhanden. Nur aus
seinen Erzählungen kann ein kurzes Bild nachgezeichnet werden. Auch die
Reihenfolge derselben ist nicht mehr bekannt.
Hier deshalb auch nur eine kurze Auflistung dieser Reisen, wobei die
einzelnen Stationen nicht nachvollzogen werden
können.
- Europareisen im rollenden Hotel
- Schiffsreise durch den Sueskanal - Singapur - Tokio
- Melbourne - Wellington u.a.
- Schiffsreise rund um den Globus mit entspr. Landgängen in
New York, San Francisco u.a.
- Flugreise rund um den Erdball mit Haltepunkten
in den Metropolen der Welt.
Auch
auf diesen Reisen lebte Gust z.T.. von wohlgesonnenen
und wohlhabenden Mitreisenden. Wenn er irgendwann mit seinen Erzählungen
dann doch lästig wurde, verfrachteten ihn freundliche Steward`s an einen hinteren Tisch. Für Trank wurde gesorgt.
Nicht selten lag er zum Schluß dann betrunken
unter dem Tisch. So seine eigenen Schilderungen.
.......
Eitelkeiten
August kaufte seine Hemden immer im Groß. Also immer gleich 12 Hemden,
diese ohne Kragen. Dafür benutzte er weiße, steife Krägen.
Die Anzüge ließ er bei einem Schneider
in Mögglingen schneidern. Es waren dies immer Stücke aus feinem und
dunklen englischen Tuch mit Nadelstreifenmuster.
An Feiertagen, oder nach großen
Reisen, stolzierte Gust noch eine Weile im feinen Anzug durchs Dorf - eine
Zigarette zwischen den Fingern, dabei den Ringfinger mit dem großen
Kardinalsring - eine Nachahmung aus einem Basar in Palästina, graziös
gespreizt. Die Haare waren dick mit Pomade geglättet und der ganze Mann, so
schien es, war in Parfüm getränkt.
Pomade
An normalen Arbeitstagen glättete Gust seine Haare nicht selten
mit Schmierseife. Bei stärkerem Regen lief ihm dann auf dem Heimweg
der Seifenschaum nur so über das Gesicht.
Liebhabereien
Neben seiner Plattensammlung
hatte Gust auch eine große Vorliebe für Herrenschmuck, insbesondere für
Ringe. Daneben erwarb er sich noch seltene Münzen und andere Reiseandenken.
Stücke davon hat er einer jungen Dame geschenkt u. vermacht, die er wohl
heimlich verehrte. Die Beschenkte L. R. gb. B.
erinnert sich noch gut daran.
Freundschaften
Nähere Bekanntschaften, oder gar Freundschaften hatte August Ilg nicht. Den
einzig engeren Kontakt pflegte er zu Gregor auf dem Schloßberg.
Diesen besuchte er jede Woche ein oder zwei
mal. Mit großer Lust redeten / lästerten beide dann über andere
Personen. Gleichzeitig sprach Gust auch über den Gregor. So z.B.: "beim
Gregor würden die Mäuse am Tisch mitfressen".
Darauf angesprochen, meinte Gregor lapidar: "D´ Mäus
wellet au leba". Tatsächlich waren die Ohren
von Gregor von den Mäusen angenagt, als man ihn nach seinem Tod in seiner
Behausung auffand.
......
Episoden
Seine
Vortragsreisen im Ort.
Wie Eingangs schon erwähnt, suchte August in seiner reisefreien Zeit gerne ihm
wohlgesonnene Zuhörer und Häuser auf. Natürlich unangemeldet. War der
Zeitpunkt gerade nicht passend, setzte man den Gust auf eine Bank vor dem
Haus und stellte ihm einen Krug Most hin, nicht selten auch einen ganzen
Eimer. Allerdings war der Most dann nicht immer der neueste und auch nicht
von der besten Sorte.
Fand er Eingang in den Stuben,
war es immer schwierig, den Gust wieder loszuwerden.
Seine Erzählungen dauerten oft
bis weit in die Nachtstunden hinein. Nicht nur wir Kinder lauschten oft
ungläubig seinen Geschichten.
Einmal saß er vor der Mühle auf einem Hackblock und sah Otto beim Holzhacken
zu. Der Frage, ob er was zu trinken haben möchte, stimmte er natürlich zu.
Nach den ersten Schlücken meinte er dann: "Hm,
der Most spricht mich an" - er schmeckte ihm also. Auch den zweiten
"2 lt - Krug" meisterte er gut, dabei
unablässig über seine Erlebnisse berichtend.
Auf die Frage nach dem weiteren
Durst meinte er dann: "A Bodadeckele voll.". Otto machte den Krug nochmal halb voll. Gust
schaffte auch diese Portion. Danach aber verstummte er und sank in Schlaf. Da
ein Gewitter aufzog, setzte man den August auf einen Stuhl in den nahen
Schuppen.
Selbstgespräche
Auf den Wegen zu seinen erfreuten, oder auch nicht so erfreuten Zuhörern,
hielt Gust immer lange Selbstgespräche. Unablässig sprach er von Daten,
Geschichten und Erlebnissen. Auf diese Weise konnte er wohl sein Wissen
in seinem Gedächtnis wachhalten.
.......
Knecht
Episoden
In
Hermannsfeld war Gust einmal mit dem Jungbauern
zum Futterholen. Beim Abspannen, nach dem Halt im Hof, rief die Altbäurin aus dem Fenster: "Berthold, heb doch au da
Kneecht vom Waga
ra " - als dieser keine entspr.
Anstalten machte.
Heißhunger
Gust
war nie satt zu bekommen. Bei dem Bauern, welcher Gust einmal
beim Mittagessen aus dem gemeinsamen Topf, auf die Finger klopfte, aß er des öfteren die besseren Essensreste, die dem Hofhund
vorgesetzt waren, aus dessen Fresskachel. So kam es, daß
der Hund immer wild knurrte, wenn Gust in seine Nähe kam.
Auf einem anderen Anwesen,
war es auf dem Lusthof ?, aß Gust einmal 21
Pfannkuchen schon vor dem Beginn der Mahlzeit. Als die Bäuerin dann jammerte:
"Was soll i jetzt meine Leit no stella ?", meinte Gust:
" Bäure du hättesch
halt bäld`r afanga solla"
Sein Bauer auf dem Zeirenhof versprach Gust bei einer Hausschlachtung:
"Guscht, heit kaascht soviel essa, soviel wia en de neibaßt. "August nutzte das
Angebot. Er aß soviel, daß
man ihn ins Krankenhaus nach Abtsgmünd bringen mußte. Dort wurde ihm der Magen ausgepumpt.
......
Nachdenkliches
Die Weihbäurin schickte Gust - er war noch jung,
nach Heuchlingen zur Sonntagsmesse. Gust legte sich am Weilerrain in die
Sonne und kehrte später dann zurück. Er habe sich geschämt, in seinen
schäbigen Sonntagsklamotten - So ein späteres Geständnis von ihm.
....
Sprüche:
"August du Kerl du.
"August laß die Glocken läuten.
"August, iß net so
viel, soscht schmeiß i di naus.
"Hau ab, du bisch doch bloß a Hund gega
mi"- Hintergrund: auf dem Heimweg von seinen Hausbesuchen kam Gust des öfteren zu Fall. Meist schnappte
im die Prothese aus dem Gelenk. So blieb er einfach an Ort und Stelle, oder
im im Gebüsch, liegen und sang Kirchenarien. Einmal
bellte ihn dabei ein Hund an. "Hau ab, du bisch doch bloß a Hund gega mi." rief Gust und sang weiter.
"Berthold, heb doch au da Kneecht vom Waga ra "
......
Interview
Nach einer großen Weltreise, es war in den 1960er - Jahren, wurde August
einmal vom Rundfunk intervievt. Der Rundfunk wollte
damals seinen Hörern ungewöhnliche Personen vorstellen. Das Interviev fand in der unteren Adler - Gaststube statt.
Auf die Frage an August, er sei
doch sicher eine angesehene Person in seinem Heimatort, meinte dieser:
"Diese südwestdeutsche Hornochsen, die verstehen das doch gar nicht, die haben doch keinen
Sinn dafür - Ho, Ho, Ho. ......
. Mikrofon ab!
....
.....
Die letzten Jahre.
August
Ilg lebte in seinen letztenn Jahre im Senioren
- und Pflegeheim in Abtsgmünd. Dort starb er am 03.07.1983. In seinem
Heimatort Heuchlingen liegt er begraben.
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